Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Einlegung eines Widerspruch per E-Mail
Leitsatz (amtlich)
Ein Widerspruch mittels E-Mail ist formunwirksam.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 29. April 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung von Umzugskosten in Höhe von 1.773,10 €.
Am 24.2.2015 beantragte der 1973 geb. Kläger eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget. Der Kläger wollte eine Stelle als Regionalleiter bei der Firma E im Raum G antreten. Hierzu legte er ein Umzugsangebot, einen unterschriebenen Mietvertrag mit Mietbeginn ab 15.3.2015 sowie eine ausgedruckte E-Mail mit einer Einstellungszusage der Firma E ab 4.5.2015 vor. Die Übersendung des Arbeitsvertrages vorab per E-Mail und dann per Post wurde für die kommenden Tage in der E-Mail angekündigt. Der Umzug war für den 9.3.2015 geplant. Daraufhin bewilligte der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 3.3.2015 aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 16 SGB II i.V.m. § 44 SGB III Umzugskosten in Höhe von 1.773,10 €. Der Förderbetrag werde nach Eingang einer detaillierten Rechnung an die Spedition überwiesen. Eine Rechtsbeziehung zwischen dem Umzugsunternehmen und dem Beklagten entstehe dadurch nicht. Die Rechnung werde vorbehaltlich beglichen, Voraussetzung für die Finanzierung eines Umzuges sei die Vorlage eines Arbeitsvertrages. Dieser liege dem Beklagten bislang nicht vor. Der Kläger wurde aufgefordert, den fehlenden Arbeitsvertrag spätestens bis 15.4.15 beim Beklagten einzureichen, ansonsten sei er gehalten, den an die Spedition gezahlten Betrag ohne jegliche weitere Anhörung vom Kläger zurückzufordern. Der Kläger zog am 9.3.2015 von H nach K in den Landkreis G um. Am 14.4.2015 wurde die Rechnung, nachdem sie von der Spedition mehrmals angemahnt worden war, durch den Beklagten beglichen.
Am 17.3.2016 erhielt der Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger vom Jobcenter GAP SGB II-Leistungen bezog. Mit Schreiben vom 17.3.2016 forderte der Beklagte den Kläger erneut unter Fristsetzung auf, den Arbeitsvertrag zu übermitteln. Hierauf reagierte der Kläger nicht.
Mit Bescheid vom 25.5.2016 widerrief der Beklagte die Bewilligung vom 3.3.2015 und verlangte Erstattung von 1.773,10 € vom Kläger. Der Kläger habe trotz mehrfacher Aufforderung den Arbeitsvertrag nicht vorgelegt. Der Bescheid enthielt eine Rechtbehelfsbelehrung zum schriftlichen Widerspruch bzw. zur Niederschrift binnen eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheids.
Mit E-Mail vom 30.5.2016 legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 9.8.2016 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass der Widerspruch nicht formgerecht sei, der Kläger aber bis 23.8.2016 noch einen formgerechten Widerspruch einreichen könne. Der Kläger reagierte darauf nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 2.9.2016 verwarf der Beklagte den Widerspruch als unzulässig.
Am 5.10.2016 erhob der Kläger "Widerspruch" beim Beklagten und zugleich Klage zum Sozialgericht München. Der Bescheid vom 2.9.2016 sei völlig falsch. Mit seiner E-Mail vom 30.5.2016 habe er sich form- und fristgerecht an den Inkasso Service der Arbeitsagentur gewandt und sich gegen die falsche Forderung gewehrt. Aus seiner E-Mail gehe einwandfrei hervor, dass er keine Leistungen zu Unrecht bezogen habe. Alle Nachweise zur Arbeitsaufnahme seien vor dem Umzug erbracht worden, sonst wäre der Umzug nicht genehmigt worden. Das Schreiben vom 9.8.2016 habe er nie erhalten. Beim Umzug zurück nach B seien Unterlagen verloren gegangen. Er könne keine Nachweise zur Arbeitsaufnahme mehr vorlegen. Er könne sich auch nicht erinnern, um welches Arbeitsverhältnis es sich handle (Schreiben vom 5.10.2016 und 8.3.2019).
Nach Anhörung der Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG wies das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29.4.2020 die Klage als unbegründet ab. Zu Recht habe der Beklagte den Widerspruch als unzulässig verworfen. Hilfsweise sei die Klage unbegründet.
Hiergegen legte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 28.5.2020 Berufung beim Bay. Landessozialgericht ein. Der Beklagte habe den Umzug nach K in vollem Umfang genehmigt. Es sei ein Arbeitsvertrag der Bevollmächtigten bekannt gewesen und der Arbeitsvertrag des Klägers habe auch vorgelegen und somit sei der Umzug genehmigt worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 29.4.2020 sowie den Bescheid des Beklagten vom 25.5.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.9.2016 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eing...