Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Kostenerstattung einer selbstbeschafften Protonentherapie bei nicht GOÄ-konformer Abrechnung. Fälligkeit der Vergütung für eine ambulante ärztliche Behandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Kostenerstattungsanspruch setzt in allen Ausgestaltungen, wie sie in § 13 SGB V aufgezeigt sind, neben dem Umstand, dass einem Versicherten tatsächlich Kosten entstanden sind, auch voraus, dass den aufgewendeten Kosten ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch des Leistungserbringers wegen der Behandlung zu Grunde liegt.
2. Ambulante ärztliche Leistungen (hier: Protonentherapie im RPTC) sind nach der GOÄ abzurechnen. Der in § 1 Abs. 1 GOÄ beschriebene Anwendungsbereich der GOÄ setzt nicht voraus, dass Anspruchsteller und Vertragspartner des Patienten ein Arzt ist, sondern dass die Vergütung für die „beruflichen Leistungen“ eines Arztes geltend gemacht wird. Für den Anwendungsbereich der GOÄ ist es daher nicht entscheidend, wer die Vergütung geltend macht, der Arzt selbst oder eine andere (juristische oder natürliche) Person, die den behandelnden Arzt in die Erbringung der ärztlichen Leistung eingebunden hat.
3. Entspricht die Rechnung für ambulante ärztliche Leistungen nicht den Vorgaben der GOÄ, ist die Vergütung gem. § 12 Abs. 1 GOÄ nicht fällig mit der Konsequenz, dass eine Kostenerstattung nicht geltend gemacht werden kann.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.04.2018 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid vom 12.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2016 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger die Kosten einer selbstbeschafften Protonentherapie wegen eines Krebsleidens in Höhe von 21.100,- € von der Beklagten zu erstatten sind.
Der Kläger ist im Jahr 1948 geboren und bei der Beklagten krankenversichert.
Im Dezember 1999 wurde beim Kläger ein metastasiertes Nierenzellkarzinom festgestellt. Im Januar 2000 erfolgte eine Nephrektomie der rechten Niere. Im Jahr 2002 wurde ein Rezidiv im Bereich des Os ilium (Darmbein) und des Os sacrum (Kreuzbein) festgestellt, das operativ und mittels Bestrahlungen behandelt wurde. Im Jahr 2007 wurde ein Zustand nach Bestrahlungsdefekt der Haut diagnostiziert und mit einer Lappenplastik behandelt. Im September 2012 wurde erneut eine Metastase im Bereich des linken Os ilium festgestellt, die operativ behandelt wurde. Eine weitere Therapie im Bereich des linken Beckens empfahl die Tumorkonferenz nicht. Bis ins Jahr 2015 wurde bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen im Universitätsklinikum E-Stadt ein relevantes Fortschreiten der Erkrankung nicht festgestellt.
Bei einer Verlaufskontrolle im Universitätsklinikum E-Stadt am 09.09.2015 zeigten sich bei einer Computertomographie größenprogrediente Weichteilfiliae in der linken Beckenwand und im links glutealen Subkutangewebe bei sonst unverändertem Befund, die dem Kläger jetzt nach eigenen Angaben auch zeitweise Beschwerden verursachten. Erfreulicherweise - so der Bericht des Universitätsklinikums - zeige sich die systemische Komponente mit der pulmonalen Metastasierung komplett stabil. Es wurde zur weiteren Behandlung die Fortführung der systemischen Therapie und eine Radiatio der einzelnen Läsionen im Bereich des linken Beckens unter bestmöglicher Schonung des nicht befallenen Gewebes bei massiver Vorbestrahlung des rechten Beckens mit insgesamt 100 Gy empfohlen (vorläufiger Arztbericht vom 10.09.2015).
Mit Schreiben vom 09.09.2015 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Protonenbestrahlung im R. Center (im Folgenden: R.), einer Einrichtung der Chirurgischen Klinik Dr. R. GmbH & Co. KG, einer Klinik, die im Krankenhausplan des Freistaats Bayern, Stand 01.01.2015, u.a. mit der Fachrichtung Strahlentherapie aufgenommen war. Begründet wurde der Antrag damit, dass bei der Verlaufskontrolle am 09.09.2015 eine deutliche Progedienz von Weichteilmetastasen im linken Becken diagnostiziert worden sei. Ein chirurgisches Angehen sei leider nicht möglich, weshalb eine lokale Strahlentherapie nunmehr dringend geboten sei. In der Vorgeschichte seiner Erkrankung sei die gegenüberliegende Seite des Beckens im Jahr 2002 mit insgesamt 100 Gy bestrahlt worden, wobei auch die linke Beckenseite Streustrahlung bis zu 40 Gy abbekommen habe. Bei einer erneuten konventionellen Bestrahlung bestehe daher ein sehr hohes Risiko der Schädigung des Dünndarms und der Entstehung von Knochennekrosen.
Dem Antrag beigefügt waren ein Schreiben des R. vom 03.07.2015, wonach der Kläger sich an das R. gewandt habe, wobei wegen der Vorbelastung des Klägers lediglich eine Ionentherapie möglich sei, um das Risiko von Darmschäden und Knochennekrosen so gering wie möglich zu halten, und ein Kostenvorschlag des R. vom 06.07.2015 über einen Rechnungsbetrag in Höhe von pauschal 21.100,- €, dem u.a. 25 Sitzungen Bestrahlung zu ...