Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. Kausalzusammenhang. Allgemeine wissenschaftliche Lehrmeinung. HWS-Distorsion;Symptomfreies Intervall
Leitsatz (amtlich)
I. Maßstab für die Beurteilung, ob eine Gesundheitsstörung Unfallfolge ist, ist die allgemeine wissenschaftliche Lehrmeinung.
II. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erfahrungssätzen weisen selbst HWS-Distorsionen des Schweregrades I (Klassifikation nach Erdmann) kein symptomfreies Intervall von mehreren Tagen oder Wochen auf.
Normenkette
SGB VII § 56 Abs. 1 S. 1, § 56 Abs. Abs. 2 S. 1, § 7
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 14. Januar 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Verletztenrente hat.
Der 1969 geborene Kläger war seit April 2001 als Prüfer bei der Firma D. in R. beschäftigt.
Am 16.11.2005 gegen 5.30 Uhr befuhr er auf dem Weg von seiner Wohnung zur Arbeit mit einer Geschwindigkeit zwischen 50 und 60 km die B 85 Richtung R., als ein entgegenkommendes Fahrzeug vor ihm nach links abbiegen wollte. Der Kläger konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr frontal in das abbiegende Fahrzeug. Er war angeschnallt. Das Auto verfügte über Nackenstützen, aber keinen Air-Bag.
Im Durchgangsarztbericht von Dr. E. des Krankenhauses (KKH) B-Stadt vom 22.11.2005 wurden beim Kläger eine distale Radiusfraktur links ohne wesentliche Dislokation, eine Sternumfraktur sowie multiple Prellungen der Brustwirbelsäule (BWS) und des linken Knies diagnostiziert. Es bestanden ein leichter Druckschmerz über dem Sternum und über der mittleren BWS, eine leichte Schwellung am linken Handgelenk sowie ziehende Schmerzen am linken distalen Oberschenkel, hingegen kein Thorax- oder Beckenkompressionsschmerz. Ausgewertet wurden Röntgenaufnahmen des linken Handgelenks, der BWS, Halswirbelsäule (HWS), linken Knie, der Lunge und des Sternums. Eine besondere stationäre Heilbehandlung wurde eingeleitet.
Laut Zwischenbericht vom 24.01.2006 ergab sich aus Röntgenbildern vom 12.01.2006 und vom 24.01.2006, dass der Bruch des linken Handgelenks regelrecht verheilt, das Sternum nahezu vollständig konsolidiert war und zudem eine verheilte Fraktur der 7. Rippe links bestand. Wegen ventralbetonter Thoraxschmerzen wurden am 22. bzw. 23.02.2006 MRT von HWS, BWS und LWS gefertigt. Der MRT-Befund der HWS vom 22.02.2006 ergab keine Hinweise für knöcherne Verletzungen, Prolaps oder Sequester. Das vordere und hintere Längsband sowie die paravertebralen Weichteile waren weitgehend unauffällig. Die Halswirbel (HW) 4 bis 7 wiesen diskrete Protrusionen auf, ohne Anhalt für Wurzel- oder Myelonbeeinträchtigung. Der MRT-Befund der BWS vom 23.02.2006 zeigte einen alten, leichten ventralen Flexionskeilbruch des 3. Brustwirbelkörpers (BWK) mit geringer Imprimierung der Deckplatte ohne Hinweise auf floride ossäre Prozesse, ohne Mitbeteiligung der dorsalen Säule und mit unauffälligen dorsalen Bändern sowie eine diskrete Protrusion im Bereich der BW 6/7.
Nachdem der Kläger am 07.03.2006 gegenüber der Beklagten über erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden mit Einschränkung der Drehfähigkeit des Kopfes geklagt hatte, veranlasste diese eine Untersuchung in der A. Klinik L.. In deren Bericht vom 14.03.2006 wurde angesichts der Schmerzen im thorakocervikalen Übergang mit Ausstrahlung nach oben und unten eine Wirbelsäulendistorsion genannt; fassbare morphologische Veränderungen wurden verneint. Die leichten degenerativen Veränderungen seien sicher unfallunabhängig. Eine neurologisch-psychiatrische Untersuchung wurde empfohlen.
Vom 21.-23.03.2006 wurde der Kläger von Dr. G. - Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Chirotherapie und spezielle Schmerztherapie - in T. behandelt. Dieser diagnostizierte im Bericht vom 26.03.2006 ein posttraumatisches Zervikalsyndrom mit Funktionsstörung des Kopfgelenksbereichs und Nacken-Kopfschmerz sowie Skalenussyndrom links, eine posttraumatische Funktionsstörung der mittleren BWS mit Rippengelenksblockierungen, eine lumbale vertebragene Dysfunktion sowie Funktionsstörung des SIG (Sakroiliakalgelenk) im Sinne einer Kettensymptomatik. Dr. G. gab an, dass in Folge des Unfalls permanente zervikale Schmerzen sowie linksthorakale Schmerzen bestünden, ohne pathologischen Befund im MRT von HWS und BWS; der Unfallhergang, die Beschwerden und die Befunde sprächen zweifelsfrei für eine Unfallbedingtheit. Es bestünden Dysfunktionen der Wirbelsegmente C 2/3, C 3/4 und C 5/6 jeweils links, im Bereich der 1. Rippe rechts sowie der Kostotransversalgelenke (D 5, D 7 links; D 4 rechts). Die Mobilisation der Gelenke hätte die Beschwerden deutlich gelindert; allerdings sistierten die Schmerzen und die massive HWS-Rotationseinschränkung.
Die Neurologin und Psychiaterin Dr. K. führte nach Untersuchung des Klägers im Bericht vom 29.03.2006 aus, dass der erhobene somatisch-neurologische Befund regelre...