Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Klagegegenstand. gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. complex regional pain syndrome I. Morbus Sudeck. Ermittlung der MdE. Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Dass ein VA gem § 96 SGG in der seit 1.4.2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 26.3.2008, BGBl I, 444) Klagegegenstand wird, setzt voraus, dass eine Änderung bzw Ersetzung eines der Verfügungssätze erfolgt; ferner ist von Bedeutung, ob Rechtsgrundlage und Prüfungsmaßstab übereinstimmen. Ein VA, mit dem eine Rentenerhöhung gem § 48 SGB 10 iVm § 73 Abs 3 SGB 7 wegen zwischenzeitlicher Verschlimmerung der Unfallfolgen abgelehnt wird, ersetzt nicht den Verfügungssatz des VA, mit dem erstmals die Rentenhöhe festgestellt worden ist.
2. Die Anerkennung eines CRPS (complex regional pain syndrome I bzw Morbus Sudeck als Unfallfolge setzt voraus, dass das Vorliegen dieser Gesundheitsstörung im Vollbeweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist.
3. Die Durchführung eines EFL-Verfahrens (Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit) nach Isernhagen ist zur Ermittlung der MdE eines Versicherten im Rahmen eines Verletztenrentenverfahrens nicht regelmäßig geboten.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer höheren MdE als 30 v.H. hat.
Die 1951 geborene Klägerin wurde am 20.03.2004 um 7.45 Uhr, als sie mit dem Fahrrad auf dem Weg zu ihrer Arbeit als angestellte Küchenhilfe war, von einer Windboe erfasst und stürzte die Böschung herunter.
Der Durchgangsarzt Dr. H. von der Kreisklinik (KK) E-Stadt stellte noch am selben Tag nach Auswertung von Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule (BWS), des rechten Handgelenks und des rechten Sprunggelenks eine Schädelprellung mit Schürfungen an Stirn und Kinn, eine Brustwirbelkörper (BWK)-VI- Kompressionsfraktur, eine Talusprellung rechts, eine Infraktion des distalen Radius (Speiche) rechts, eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts und eine Hämatomschwellung im Bereich der linken Augenbraue fest.
Die Sprunggelenksluxationsfraktur rechts wurde durch Zugschrauben- und Plattenosteosynthese am Außenknöchel, Syndesmosennaht und Schraubenosteosynthese am Innenknöchel operiert. Das CT der BWS vom 22.03.2004 zeigte laut D-Arztbericht instabile Frakturen des 4. und 6 BWK und eine deutliche Höhenminderung besonders des 6. BWK mit diskreter Vorwölbung der Hinterkante; das MRT ergab ferner eine Deckplattenimpression des BWK 8. Im Augenarztbericht von Dr. U. vom 02.04.04 wurden Oberlidhämatome beidseits als Unfallfolge genannt; daneben bestanden geringe Glaskörpertrübungen des Fundus. Eine Anschlussheilbehandlung wurde vom 15.04. bis 05.05.2004 in der S-Klinik durchgeführt.
Die Unfallchirurgen Dr. H. und Dr. S. von der KK E-Stadt nannten im Ersten Rentengutachten vom 15.07.2004 folgende Diagnosen: eine bimalleoläre Sprunggelenksfraktur rechts, eine Infraktion des distalen Radius rechts, instabile BWK IV- und VI-Frakturen, eine Deckplattenimpressionsfraktur BWK VIII, eine Schädelprellung mit Schürfungen an Stirn und Kinn sowie eine Talusprellung. Die MdE dafür schätzten sie für die Zeit vom 26.07.2004 bis 01.05.2005 mit 30%, danach mit 20-25%.
Die starr wirkende BWS war schmerzbedingt bewegungseingeschränkt, mit Seitneigung nach rechts bis 20°, nach links bis 30°, Finger-Boden-Abstand (FBA) von 16 cm, Zeichen nach Ott von 30:33 und Schober von 10:12. Die Frakturen des 4. und 6. BWK zeigten sich unter Keilwirbelbildung und Abflachung des vorderen Wirbelkörperrandes verheilt; der Deckplatteneinbruch im Bereich des 8. BWK war knöchern konsolidiert.
Die Radiusfraktur war in achsengerechter Stellung ohne Stufenbildung knöchern konsolidiert, wobei eine winzige Knochenabsprengung im Bereich der Handwurzelknochen bestand. Die Handgelenksbeweglichkeit betrug für Streckung/Beugung rechts 30-0-30°, links 50-0-40°, ulnar/radial rechts 30-0-15 und links 40-0-50°. Am rechten Daumen war im Seitenvergleich die Beugung des Grundgelenks (um 10° bei 30°) und die Beugung des Endgelenks (um 20° bei 60°) eingeschränkt. Rechts war der Händedruck weniger kräftig und die Widerstandskraft von Daumen und Zeigefinger gemindert. Im Bereich des rechten Sprunggelenks bestanden Schwellungen, Verhärtungen mit Druckschmerz über dem Innen- und Außenknöchel sowie Belastungsschmerzen. Die Klägerin hinkte nicht, konnte aber schnellere Gangarten nicht durchführen. Nach Röntgenbild war die Fraktur knöchern konsolidiert bei regelrechter Gelenkstellung. Für Heben bzw. Senken des oberen Sprunggelenks (OSG) wurden rechts 10-0-40° und links 20-0-80° angegeben bei uneingeschränkt beweglichem unteren Sprunggelenk (USG).
Mit Schreiben vom 22.12.2004 mac...