Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Anrechnung von Fremdrentenzeiten. Anforderung an den Nachweis von im Ausland absolvierten Beitragszeiten. Zulässigkeit einer pauschalen Kürzung der Entgeltpunkte bei fehlendem Nachweis über die Beschäftigungsdichte

 

Leitsatz (amtlich)

Allein aufgrund der Angaben des Versicherten können in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegte Versicherungszeiten nicht als nachgewiesene Beitragszeiten zu 6/6 angerechnet werden.

 

Orientierungssatz

Kann ein Spätaussiedler die Beitrags- oder Beschäftigungszeiten nicht vollständig nachweisen, findet eine pauschale Kürzung der Entgeltpunkte auch dann statt, wenn er zumindest Anfang und Ende der Beschäftigungszeiten belegen kann. Die pauschale Kürzung erfolgt zudem unabhängig davon, ob im Herkunftsland Zeiten einer Arbeitslosigkeit möglich waren.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 12. August 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung der vom Versicherten A. in der ehemaligen Sowjetunion vom 10. August 1967 bis 4. Januar 1988 zurückgelegten Versicherungszeiten als nachgewiesene Beitragszeiten zu 6/6.

Der im September 1938 in der ehemaligen Sowjetunion geborene Versicherte war ausweislich der Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes vom 3. Januar 1996 als Spätaussiedler anerkannt. Seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet hat er seit 10. September 1995.

Ausweislich des Arbeitsbuches vom 27. Dezember 1958 absolvierte der Versicherte in der ehemaligen Sowjetunion vom 10. September 1952 bis 15. Oktober 1956 zunächst eine Schul- und dann eine Fachschulausbildung. Er war anschließend ab 19. Oktober 1956 bis 28. November 1958 als Maschinist und Förderermann, Waggonstoßer unter Tage sowie Transportant im Bergbau beschäftigt. Nach Zeiten des Wehrdienstes von Dezember 1958 bis März 1962 war der Kläger dann ab 17. April 1962 bis 15. August 1963 erneut im Bergbau als Takelarbeiter tätig. Im Anschluss daran war er außerhalb des Bergbaus im S. Fleischkombinat "K." vom 31. August 1963 bis 18. Januar 1966 als Lastenträger/Beschicker und dann in der S. Fahrzeugbasis vom 22. Januar 1966 bis 2. August 1967 als Kraftfahrer beschäftigt. Ab 10. August 1967 bis 4. Januar 1988 war er erneut in dem S. Fleisch- und Konservenkombinat "K." als Kraftfahrer und im Bahnhof S. vom 14. Januar 1988 bis 19. November 1991 als Kraftfahrer sowie vom 20. November 1991 bis 3. August 1995 als Reparaturschlosser beschäftigt.

Auf seinen Antrag vom 16. Oktober 1997 hin gewährte die Beklagte dem Versicherten mit Vorschussbescheid vom 26. Mai 1999 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab 1. November 1998. Hierin sind die in der ehemaligen Sowjetunion zurückgelegten Versicherungszeiten im Zeitraum 19. Oktober 1956 bis 3. August 1995 nur zu 5/6 anerkannt. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit dem Begehren, die Zeiten des Wehrdienstes vom Dezember 1958 bis April 1962 zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 24. Januar 2000 stellte die Beklagte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit unter Berücksichtigung des Zeitraums 1. Dezember 1958 bis 19. März 1982 als Wehrdienstzeit endgültig fest. An der Anrechnung der strittigen Beitragszeiten nur zu 5/6 änderte sich nichts.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 beantragte der Versicherte eine Überprüfung des Rentenbescheids gemäß § 44 SGB X. Der Bescheid sei rechtswidrig, weil der Versicherte nicht darauf hingewiesen worden sei, eine Kürzung der Beitragszeiten auf 5/6 zu verhindern, indem er konkrete Lohnlisten bzw. Lohnlistenauszüge vorlegt. Beschäftigungszeiten, die durch Arbeitsbescheinigungen nachgewiesen seien, müssten nach Auffassung des zuständigen Bundestagsausschuss im Gesetzgebungsverfahren voll angerechnet werden. Daraus ergebe sich eine dementsprechende Beratungspflicht der Beklagten. Aufgrund mehrerer Entscheidungen des BSG vom 21. August 2008 (B 13/4 R 25/07 R), 12. Februar 2009 (B 5 R 39/06 R und B 5 R 40/08 R) und 19. November 2009 (B 13 R 67/08 R, B 13 R 145/06) sei allerdings fraglich, ob es des Nachweises von Beschäftigungszeiten durch Arbeitsbescheinigungen überhaupt noch bedürfe. Danach sei das Beschäftigungsverhältnis zu berücksichtigen, wenn die Zahlung von Beiträgen in ein Rentenversicherungssystem festgestellt werden könne. Dies sei für den Versicherten der Fall. Eine Archivbescheinigung der Verwaltung der Archive und Dokumentationen im Gebiet Ost-Kasachstan vom 30. September 2009 ist vorgelegt worden. Aus dieser gehen für den Zeitraum August 1967 bis Januar 1988 Eintragungen über den vom Kläger in Rubel erhaltenen Lohn hervor (z.B. August 1967: 71-28, September 1967: 128-91, Oktober 1967: 124-83 usw.). In den Lohnlisten des Fleischkonservenkombinats K. befänden sich keine Entschlüsselungen für Codes und Spalten. Daher könnte keine ausführlich...

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