Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Bindungswirkung eines Betriebsprüfungsbescheides. Umfang des Regelungsgehaltes eines Betriebsprüfungsbescheides. Beitragspflicht des Arbeitgebers während eines unbezahlten Urlaubs
Leitsatz (amtlich)
1. Betriebsprüfungsbescheide haben keine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung.
2. Bindungswirkung können sie nur insoweit entfalten, als personenbezogen für bestimmte Zeiträume Feststellungen zur Versicherungs- oder Beitragspflicht getroffen wurden.
3. Die Bezeichnung des Prüfzeitraums in einem Betriebsprüfungsbescheid nimmt nicht an dessen Regelungsgehalt teil.
Orientierungssatz
Ein Arbeitgeber muss auch für Zeiten des unbezahlten Urlaubs eines Arbeitnehmers Sozialversicherungsbeiträge abführen, wenn er nicht darlegen und beweisen kann, dass dem unbezahlten Urlaub eine Vereinbarung der Parteien zugrunde lag und bei Abschluss der Vereinbarung zwischen den Parteien die jeweiligen Interessen der Parteien klar und deutlich besprochen sowie sodann die Unentgeltlichkeit der Urlaubsgewährung ausgehandelt wurde.
Normenkette
SGB IV § 28p Abs. 1 Sätze 1, 5, § 28h Abs. 1 S. 3, § 7 Abs. 3, § 22 Abs. 1, § 24 Abs. 1 S. 1; BeschV § 26; AufenthG § 39; SGB X § 33 Abs. 1, § 35; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB XI § 1 Abs. 2 S. 1; AO § 173 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 615, 297, 276
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. Januar 2014 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.03.2013 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsforderung aufgrund einer Betriebsprüfung.
Streitig ist neben verfahrensrechtlichen Fragen die Höhe des den Beigeladenen zu 1) und 2) im Zeitraum vom 01.10.2006 bis zum 31.12.2009 zustehenden Lohns.
Die Klägerin betrieb bis zum 31.10.2011 das Chinarestaurant "F.", A-Straße in A-Stadt. Sie beschäftigte dort seit 2006 neben weiteren Mitarbeitern die Beigeladenen zu 1) und 2) als sogenannte Spezialitätenköche. Bei den Spezialitätenköchen handelt es sich um sog. Alleinköche, die im Inland mit dem Tarifposten "Chef de partie" vergleichbar und entsprechend zu entlohnen waren. Gemäß der von der Bundesagentur für Arbeit anzuwendenden Checkliste sind diese Personen entsprechend des jeweiligen Landestarifs des Hotel- und Gaststättengewerbes (HOGA Tarif) in der Bewertungsgruppe Alleinkoch einzugruppieren. Dies ist Voraussetzung für die Erteilung einer befristeten Arbeitserlaubnis und damit verbundenen Aufenthaltsgenehmigung (§ 39 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - in Verbindung mit den Bestimmungen der Beschäftigungsverordnung - § 26 BeschV). Auch die Arbeitsverträge der Beigeladenen zu 1) und 2) enthalten in § 7 (Sonstige Vereinbarungen) eine Klausel, wonach die Bestimmungen des jeweils gültigen Tarifvertrages (Lohn- und Manteltarif) für das Hotel- und Gaststättengewerbe Bestandteil des Arbeitsvertrages sind.
Nach dem HOGA Tarif Bayern waren im streitgegenständlichen Zeitraum für Alleinköche (Chef de partie) folgende Löhne zu bezahlen:
1.849,- € ab Mai 2006
1.890,- € ab Juni 2007
1.947,- € ab Mai 2008
1.996,- € ab September 2009
Für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.12.2009 führte die Beklagte im Restaurant der Klägerin erstmals im Jahr 2010 eine Betriebsprüfung gem. § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch, die (so der Tenor) "keine Feststellungen bzw. Beanstandungen" ergab (Schreiben des Prüfdienstes vom 05.07.2010). Die stichprobenweise Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und Aufzeichnungen habe keine Beanstandung ergeben.
Im Rahmen einer verdachtsunabhängigen Kontrolle der Kontrolleinheit Prävention des Hauptzollamts F-Stadt vom 08.02.2011 sowie einer im Anschluss erfolgten Prüfung der Geschäftsunterlagen des Restaurants wurden dagegen laut Schlussbericht vom 17.07.2012 Unstimmigkeiten bei der Lohnzahlung festgestellt. Tatsächlich habe die Klägerin den Köchen zwar bei der Ersteinreise den jeweils gültigen bayerischen HOGA Tarif bezahlt, die während der anschließenden Beschäftigungsdauer (in der Regel vier Jahre) erfolgten tariflichen Lohnerhöhungen aber nicht an ihre Beschäftigten weitergegeben bzw. den Lohn tatsächlich nicht erhöht. Außerdem hätten sowohl der Beigeladene zu 1) als auch der Beigeladene zu 2), der seit dem 20.04.2007 bei der Klägerin beschäftigt gewesen sei, die vereinbarten Entgelte nicht vollständig erhalten.
Die an die Beigeladenen zu 1) und 2) erfolgten Zahlungen ergeben sich aus den sichergestellten Lohnabrechnungen, in denen die Lohnzahlungen selbst jeweils als "Lohn, Festlohn" bezeichnet sind. Woraus sich die niedrigeren oder zum Teil völlig fehlenden Zahlungen in einzelnen Monaten ergeben könnten, ist aus den Gehaltsabrechnungen nicht ersichtlich, da darin keine Stunden ausgewiesen sind. Die Klägerin gab an, dass sich ein Herr N. um Details gekümmert h...