Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletztenrente. MdE. Arbeitsunfall. Unfallfolge. Ursächlicher Zusammenhang. Kopfschmerzen. Schwerhörigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Eine Gesundheitsstörung ist nur dann als Unfallfolge anzuerkennen, wenn der Arbeitsunfall zu ihrem Eintritt wesentlich beigetragen hat. Dies muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen.
Normenkette
SGB VII §§ 7-8, 56
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.03.2007 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger aufgrund des am 26.05.1997 erlittenen Arbeitsunfalls eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 30 v.H. hat.
Der 1943 geborene Kläger war bis zum Unfall als Bauhelfer tätig. Aufgrund des Bescheides vom 17.10.2001 erhielt er ab 15.03.2000 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. Als Folge des Arbeitsunfalls nicht anerkannt wurde die beginnende Altersschwerhörigkeit des rechten Ohrs und die Schwerhörigkeit des linken Ohrs. Grundlage dieser Entscheidung waren das chirurgische Sachverständigengutachten des Dr. P. vom 07.07.1999 / 06.04.2000, der die MdE auf 30 v.H. schätzte, ferner das HNO-ärztliche Sachverständigengutachten des Dr. K. vom 12.06.2001 und das neurologische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. O./Dr. S. vom 29.12.2000, nach denen keine MdE auf neurologischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet vorlag.
Den Widerspruch des Klägers mit dem Ziel, wegen der vorhandenen Kopfschmerzen und der Schwerhörigkeit im rechten Ohr eine höhere MdE als 30 v.H. zu erreichen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2002 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht München (SG) mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 17.10.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 aufzuheben und als Folgen des Versicherungsfalles vom 26.05.1997 über die anerkannten Folgen hinaus zusätzlich eine Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr und persistierende Kopfschmerzen anzuerkennen sowie dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von mehr als 30 v.H. zu gewähren.
Das SG erhob Beweis durch die Einholung eines chirurgisch-orthopädischen Sachverständigengutachtens des Dr. L. vom 18.09.2004 sowie nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eines neurologischen Gutachtens des Prof. Dr. P. vom 19.12.2005/ 10.02.2006/25.03.2006. Dr. L. bestätigte das Ergebnis der Ermittlungen der Beklagten und kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine MdE von 30 v.H. auf chirurgischem Gebiet vorliege. Prof. Dr. P. stellte fest, dass sich auf neurologischem Gebiet keine Gesundheitsschäden mehr nachweisen ließen, die auf den Unfall vom 26.05.1997 zurückzuführen seien. Aus neurologischer Sicht liege beim Kläger ein Zustand nach Schädelprellung sowie Gehirnerschütterung (Schädel-Hirn-Trauma Grad I oder Commotiocerebri) vor, die Folgen seien nach längstens einem halben Jahr als abgeklungen anzusehen. Es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass es beim Unfall auch zu einer Halswirbel-Distorsion gekommen sei. Entsprechende Unfallfolgen wären jedoch bei einer HWS-Distorsion Grad I ebenfalls nach einem halben Jahr folgenlos abgeklungen. Die Kopfschmerzen des Klägers seien auf die bestehenden degenerativen Veränderungen der HWS und der Skoliose zurückzuführen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 28.03.2007 ab. Eine höhere MdE als die anerkannte mit 30 v.H. sei nicht nachgewiesen. Insoweit nahm das Gericht auf die Sachverständigengutachten des Dr. L. und des Prof. Dr. P. Bezug.
Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Der Senat erhob Beweis durch die Einholung eines neurologischen Sachverständigengutachtens des Privatdozenten Dr. B. vom 26.03.2008. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger geltend gemachten Kopfschmerzen sowie der Schwindel nicht auf den Unfall zurückgeführt werden könnten. Aus heutiger Sicht könne die Diagnose einer Commotio, d.h. eines Schädel-Hirn-Traumas des Grades I, bestätigt werden. Beim Kläger sei nach dem Unfall eine Bewusstlosigkeit weder nachgewiesen noch wahrscheinlich, da der Patient nicht vom Notarzt künstlich beatmet worden sei. Ein Zeichen einer allenfalls geringgradigen Schädigung ergebe sich daraus, dass ein posttraumatischer Verwirrtheitszustand offensichtlich nicht vorgelegen habe. Nach den Angaben der Ehefrau sei der Kläger zwar schwach gewesen, jedoch nicht desorientiert oder verwirrt. Da nach dem Unfall keine Computertomographie des Gehirns erstellt wurde, sei nicht völlig auszuschließen, dass eine traumatische Hirnquetschung vorlag. Jedoch könne beim Kläger aus neurologischer Sicht nicht von einem persistierenden chronischen posttraumatischen Kopfschmerz ausgegangen werden. Derartige Kopfschmerzen könnten zwar nach Schädel-Hirn-Traumen des Grades I auftreten, würden sich jedoch in den Folgemonaten komplett zurückbilden. Bei anhaltenden Kopfschmerzen sei dagegen davon auszugehen, dass ...