Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Tätigkeit als Pflegefachkraft bei einem ambulanten Pflegedienst auf der Basis eines Kooperationsvertrages. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Abgrenzung)
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung abhängiger Beschäftigung von selbständiger Tätigkeit von Pflegefachkräften.
Orientierungssatz
Werden im Auftrag eines ambulanten Pflegedienstes Tätigkeiten bei unterschiedlichen Patienten in deren Haushalt ausgeübt und erfolgt die Vergütung auf der Grundlage der geleisteten Stunden, so ist regelmäßig vom Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auszugehen (vgl LSG München 16.7.2015 - L 7 R 978/12 und LSG Essen vom 21.11.2012 - L 8 R 900/11).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 23.02.2017 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2015 abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Statusfeststellung bezüglich der Beigeladenen zu 1) für ihre Tätigkeit bei der Klägerin als bei deren Kunden eingesetzte Pflegefachkraft in der Zeit vom 13.02.2013 bis 26.12.2013.
Die Klägerin ist im Bereich der ambulanten Pflege tätig. Sie verfügt über einen Versorgungsvertrag gemäß § 72 SGB XI mit den Landesverbänden der Pflegekasse in Bayern, der am 01.01.2010 in Kraft getreten ist.
Mit den zu pflegenden Personen, den Kunden der Klägerin, schließt die Klägerin einen Pflegevertrag nach einem vorgefertigten Muster auf der Grundlage des Versorgungsvertrages. In § 1 des Pflegevertrages (PV) zwischen der Klägerin und ihren Kunden ist bestimmt, dass die Klägerin als Pflegeeinrichtung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung durch einen Rahmenvertrag nach § 132a SGB V zur Erbringung der Pflegeleistung berechtigt ist und eine entsprechende Vergütungsvereinbarung mit den Krankenkassen abgeschlossen hat.
Nach § 6 Ziffer 1 PV richten sich die Entgelte für die den Kunden gewährten Leistungen grundsätzlich nach den Vereinbarungen, die zwischen der Klägerin und den öffentlichen Leistungsträgern (Pflege- und Krankenkassen) nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften vereinbart wurden. Leistungen der Pflege- und Krankenkassen werden nach Kostenzusage von der Klägerin direkt mit diesen Leistungsträgern abgerechnet, § 6 Ziffer 3 PV. Handelt es sich um eine private Kranken- oder Pflegeversicherung, bezahlt zunächst der Kunde auf Rechnung der Klägerin an diese; anschließend reicht der Kunde die Rechnung der Klägerin bei seiner privaten Versicherung ein, § 6 Ziffer 3 PV.
Nach § 2 Ziffer 3 PV erbringt die Klägerin bei ihren Kunden die ärztlich verordnete sowie pflegerisch notwendige Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung nach den Regeln des SGB V oder des SGB XII, darüber hinaus vom Kunden gewählte Leistungen in persönlicher Absprache mit den Kunden (§ 2 Ziffer 2 und Ziffer 3 PV). Die Planung der Pflege erfolgt gemeinsam mit den Kunden und wird dokumentiert (§ 2 Ziffer 4).
Nach § 3 Ziffer 2 PV dürfen "pflegende Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung", also der Klägerin, unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen der medizinischen Behandlungspflege durchführen. Regelungen darüber, welche "Mitarbeiter" der Klägerin bei den Kunden tätig werden bzw. ob sich die Klägerin Dritter, also etwa auch selbständig Tätiger, bedienen darf, finden sich im PV nicht.
Die Beigeladene zu 1) ist nach eigenen Angaben ausgebildete "Intensivpflege-Altenpflegerin" und war im streitgegenständlichen Zeitraum für zwei weitere Pflegedienste neben der Klägerin - ihrer Ansicht nach - als Selbständige tätig.
Am 01.02.2013 schlossen die Klägerin und die Beigeladene zu 1) einen "Kooperationsvertrag" (KV) mit u. a. folgendem Inhalt:
- Die Klägerin ist ein Unternehmen für Dienstleistungen der ambulanten Versorgung von Trachiotomie und langzeitbeatmeten Menschen (Ziffer I) und regelt mit dem Kooperationsvertrag die Geschäftsbeziehung zur Beigeladenen zu 1) (Ziffer II).
- Bei "Auftragserteilung bzw. Auftragsannahme im Einzelfall" erbringt die Beigeladene zu 1) Leistungen beim Kunden der Klägerin, u. a. die ganzheitliche pflegerische Versorgung des Kunden, wobei Abweichungen im Leistungskatalog im einzelnen Auftrag von der Beigeladenen zu 1) schriftlich festzuhalten sind (Ziffer III).
- Die Beigeladene zu 1) ist nach Ziffer III 1 verpflichtet, die beauftragten Leistungen in eigener Person durchzuführen, sofern die Klägerin nicht durch die Erbringung der Leistung durch Dritte einverstanden ist Ziffer, III 2. In diesem Fall ist die Beigeladene zu 1) dafür verantwortlich, dass ihr Vertreter die Kompetenz hat wie die Beigeladene zu 1) selbst und hat dies der Klägerin nachzuweisen (Ziffer III 3).
- Der Ort der Durchführung der Leistungen durch die Beigeladene zu 1) richtet sich allein nach den Bedürfnissen des konkreten Auftrags bz...