Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung im Fortsetzungsverfahren nach Fiktion einer Klagerücknahme. keine Zulassungsfreiheit bei zu geringem Beschwerdewert. Verweis auf eine nicht erfolgte Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG
Leitsatz (amtlich)
Ist in einem Folgeverfahren strittig, ob ein Klageverfahren durch die Klagerücknahmefiktion gemäß § 102 Abs 2 S 1 SGG wirksam beendet ist, kommt es bei der Beurteilung der Zulassungsbedürftigkeit der Berufung auf die Verhältnisse des ursprünglichen Klageverfahrens an.
Orientierungssatz
Soweit der Gesetzgeber mit der Regelung des § 102 Abs 2 S 1 SGG bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Fiktion der Klagerücknahme anordnet, ist dies mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes vereinbar, soweit beachtet wird, dass die Annahme einer Fiktion der Klagerücknahme nur in eindeutigen Fällen weggefallenen Rechtsschutzinteresses in Betracht kommt (vgl BVerfG vom 17.9.2012 - 1 BvR 2254/11 = NVwZ 2013, 136). Wird der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens beim SG abgelehnt, kann die Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 102 Abs 2 S 1 SGG durch Antrag beim SG auf mündliche Verhandlung bzw durch Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG erreicht werden. Eine zulassungsfreie Berufung lässt sich aus Art 19 Abs 4 GG nicht herleiten. Die Beschränkung auf das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde auch in Fällen der Anfechtung der fiktiven Rücknahme einer Klage, bei der der Beschwerdewert von 750 Euro nicht erreicht wird, stellt keine unzumutbare Erschwerung der Rechtsverfolgung dar.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 2. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob das Verfahren mit dem Az. S 3 AS 7/17 vor dem Sozialgericht Regensburg (SG) durch die Fiktion der Klagerücknahme erledigt ist, sowie um höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II).
Mit Antrag vom 5. Juli 2016 begehrte der Berufungskläger und Kläger (Kläger) die weitere Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom Berufungsbeklagten und Beklagten (Beklagter). Als Kosten der Unterkunft (KdU) machte er dabei 363,67 Euro (Grundmiete 242,15 Euro, Nebenkosten 58,22 Euro, Heizkosten 63,30 Euro) geltend.
Mit Bescheid vom 16. September 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Monate Juli 2016 und August 2016 in Höhe von monatlich 597,10 Euro (Regelbedarf 404.- Euro, KdU 314,30 Euro, davon Grundmiete 192,78 Euro, abzüglich Sanktion in Höhe von 121,20 Euro) und für die Monate September 2016 bis Dezember 2016 in Höhe von monatlich 744,30 Euro (Regelbedarf 404.- Euro, KdU 340,30 Euro, davon Grundmiete 218,78 Euro). Die Bewilligung erfolgte gemäß § 41a Abs. 1
SGB II vorläufig. Die Einnahmen bzw. Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit seien im Bewilligungszeitraum aufgrund der Angaben des Klägers zum voraussichtlichen Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden. Eine endgültige Entscheidung erfolgte ausweislich eines Vermerks in den Akten nicht.
Gegen den Bescheid vom 16. September 2016 erhob der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch mit der Begründung, die KdU seien auch vor dem September 2016 in voller Höhe zu berücksichtigen. Sie seien angemessen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2016 zurückgewiesen. Der Widerspruch richte sich gegen die Absenkung der KdU für die Zeit ab September 2016. Auf der Basis von der Firma A., H-Stadt, erhobenen Daten betrage die angemessene Bruttokaltmiete ab September 2016 277.- Euro pro Monat, die vom Kläger geltend gemachte Bruttokaltmiete belaufen sich hingegen auf 300,37 Euro. Am 28. Januar 2014 sei eine Kostensenkungsaufforderung ergangen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Kostensenkung nicht möglich bzw. unzumutbar sei. Daher seien bereits seit August 2014 nur noch die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft als monatlicher Bedarf anzuerkennen. Diese beliefen sich ab September 2016 auf 277.- Euro.
Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, Klage zum SG unter dem Az. S 3 AS 7/17 mit der Begründung, die KdU seien in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, soweit diese angemessen seien. Die Bestimmung der angemessenen Mietobergrenze habe auf der Grundlage eines Konzeptes zu erfolgen, welches den Anforderungen des BSG in Bezug auf ein sog. "schlüssiges Konzept" entspreche. Diesen Anforderungen werde die vom Beklagten zu Grunde gelegte Richtlinie nicht gerecht. Es sei auf die um 10 % erhöhten Mietobergrenzen des Wohngeldgesetzes abzustellen. Danach sei die streitige Gesamtmiete jedenfalls angemessen und in voller Höhe zu berücksichtigen.
Bereits im Rahmen der Klageeingangsbestätigung vom 9. Januar 2017 forderte das SG den ...