Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen einer statistischen Wirtschaftlichkeitsprüfung können unterdurchschnittliche Werte bei den Arzneimittelverordnungen im Grundsatz nicht mit einem Mehraufwand beim Sprechstundenbedarf verrechnet werden.

Ausnahmsweise ist aber eine Berücksichtigung der unterdurchschnittlichen Werte bei der Verordnung von Arzneimitteln als Einsparung beim Sprechstundenbedarf u.a. dann möglich, wenn es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zu Verschiebungen zwischen beiden Bereichen gekommen ist.

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen einer statistischen Wirtschaftlichkeitsprüfung können unterdurchschnittliche Werte bei den Arzneimittelverordnungen im Grundsatz nicht mit einem Mehraufwand beim Sprechstundenbedarf verrechnet werden.

2. Ausnahmsweise ist aber eine Berücksichtigung der unterdurchschnittlichen Werte bei der Verordnung von Arzneimitteln als Einsparung beim Sprechstundenbedarf u. a. dann möglich, wenn es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zu Verschiebungen zwischen beiden Bereichen gekommen ist.

 

Normenkette

SGB V § 106 Abs. 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 06.07.2017; Aktenzeichen B 6 KA 19/17 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 663/13) sowie der Bescheid des Beklagten vom 13.07.2006 (Quartal 4/2001) aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen den Prüfbescheid vom 10.08.2005 (Quartal 4/2001) erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

II. Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts München vom 12.06.2015 (S 21 KA 661/13, S 21 KA 662/13, S 21 KA 664/13) werden zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens S 21 KA 663/13 sowie 1/2 der Kosten des Berufungsverfahrens L 12 KA 140/15. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren S 21 KA 661/13, S 21 KA 662/13 und S 21 KA 664/13 sowie die Hälfte der Kosten des Berufungsverfahrens L 12 KA 140/15 einschließt 1/6 der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich gegen ihn festgesetzte Regresse wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise beim Sprechstundenbedarf.

Der Kläger nahm aufgrund einer Sonderbedarfszulassung ab 1998 als Hämatologe und internistischer Onkologe an der vertragsärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in W-Stadt teil. Die Praxis des Klägers wurde im Juni 1999 als onkologische Schwerpunktpraxis anerkannt.

Dem Kläger wurde die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mit Bescheid des Berufungsausschusses für Ärzte Bayern vom 16.11.2004 - bestätigt durch Urteil des SG München vom 20.07.2007 und Urteil des Senats vom 04.02.2009 - entzogen. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger wieder zurückgenommen.

II.

Die Beigeladene zu 2) hat am 19.12.2001 für das Quartal Antrag auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beim Sprechstundenbedarf gestellt wegen einer Überschreitung des Arztdurchschnitts um + 3.448,2 %.

Der Prüfungsausschuss hat mit Bescheid vom 02.12.2002 bei der Sprechstundenbedarfsanforderung einen Regress in Höhe von 15 % (entspricht 84.310,56 Euro) ausgesprochen. Der statistische Vergleich sei mit der Arztgruppe der fachärztlichen Internisten in Bayern erfolgt. Der Kläger habe Arzneimittel mit Kosten von insgesamt 301.266,90 DM über Sprechstundenbedarf verordnet, obwohl diese nach Anlage e) zu Abschnitt III.1 der Sprechstundenbedarfsverordnung nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien. Der Bezug von Bisphosphonaten und Liponsäure als Individualrezepturen sei als unwirtschaftlich anzusehen.

Hiergegen richtet sich zum einen der Widerspruch des Klägers vom 05.12.2002, der mit Schriftsatz vom 24.02.2003 näher begründet wurde. Der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit für das Quartal konzentriere sich auf zwei Punkte. Zum einen soll der Kläger Arzneimittel über den Sprechstundenbedarf angefordert haben, die nicht als Sprechstundenbedarf verordnungsfähig seien. Zum anderen sei die Anforderung von Sprechstundenbedarf als Individualrezeptur bei Bisphosphonaten und Liponsäurepräparaten als unwirtschaftlich eingestuft worden. Eine Beschränkung der Verordnung von Zytostatika, Metastasenhemmern und Diphosphonaten auf parenterale Zubereitung bestehe laut Protokollnotiz zu Abschnitt III.1 der Sprechstundenvereinbarung nicht, so dass eine Kürzung bei den Präparaten Ovastat und Syrea nicht hätte erfolgen dürfen. Im Hinblick auf die Verordnung von Erythropoetin sei durch den Prüfungsausschuss behauptet worden, dass keine Serienbehandlung mit wirtschaftlichen Großpackungen vorliege und deswegen eine Verordnung auf den Namen des Patienten üblich wäre. Der Prüfungsausschuss habe nicht dargelegt, warum keine Serienbehandlung mit wirtschaftlichen Großpackungen stattgefunden habe. Die Verordnung als Sprechstu...

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