Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Bedienstete des Europäischen Patentamts. Anspruchsberechtigung. Elterngeldberechnung. steuerpflichtiges Einkommen. Mindestelterngeld
Leitsatz (amtlich)
1. Bedienstete des Europäischen Patentamtes haben grundsätzlich Anspruch auf Elterngeld. Ein Sondertatbestand, der Bedienstete des Europäischen Patentamtes aus dem Anwendungsbereich des BEEG ausschließt oder es aus anderen Gründen gestattet, sie vom Bezug des Elterngeldes auszuschließen, liegt nicht vor. Insbesondere schließt Art 18 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation (juris: EuPatVorrProt) einen Anspruch auf Elterngeld nicht aus.
2. Ein Anspruch besteht aber nur in Höhe des Mindestelterngeldes von 300 EUR, denn bei den Bezügen der Bediensteten aus ihrer Tätigkeit beim Europäischen Patentamt handelt es sich nicht um steuerpflichtiges Einkommen iS von § 2 Abs 1 BEEG.
Normenkette
BEEG § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1; EuPatVorrProt Art. 18; SGB I § 30 Abs. 2, § 31; PPI Art. 18, 16; EStG §§ 2, 32b
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21.04.2010 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 02.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2009 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin Elterngeld für den 6. bis 12. Lebensmonat in Höhe von 300,00 Euro monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin 1/6 der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Elterngeld für den 6. bis 12. Lebensmonat ihrer 2008 geborenen Tochter L.. Im Hinblick auf noch bis zum 6. Lebensmonat von L. hineinreichende Zahlungen von Dienstbezügen im Zusammenhang mit Mutterschaftsurlaub und Abgeltung von Jahresurlaub begehrt sie für den 6. Lebensmonat einen anteiligen Betrag und für den 7. bis 12. Lebensmonat die Gewährung des monatlichen Höchstbetrages von 1800 €.
Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in A-Stadt und ist seit dem 01.10.2004 Bedienstete des Europäischen Patentamts in B-Stadt, seit 2006 als Beamtin auf Lebenszeit. Vom 18.08.2008 bis einschließlich 04.01.2009 befand sich die Klägerin im Mutterschaftsurlaub. In dieser Zeit erhielt sie weiterhin ihr übliches Gehalt. Unmittelbar danach, vom 05.01.2009 bis 16.02.2009 verbrauchte die Klägerin ihren Jahresurlaub, der auch mit dem üblichen Gehalt vergütet wurde. Vom 17.02.2009 bis einschließlich 30.09.2009 hatte die Klägerin unbezahlten Urlaub, während dessen sie keinerlei Bezüge erhielt. Im Verwaltungsverfahren zum Elterngeld hatte die Klägerin Gehaltsmitteilungen vorgelegt, die ein Grundgehalt und hiervon vorzunehmende Abzüge für den Beitrag zum Versorgungssystem, Krankenversicherung, Todesfallversicherung, Invaliditätsversicherung und Pflegeversicherung vorsahen und für die Monate September 2007 bis August 2008 monatliche Auszahlungsbeträge in Höhe von 3153,28 € bis 4406,71 € enthielten. Aus den Gehaltsmitteilungen ergab sich zudem, dass basierend auf den Nettobezügen (September 2007 bis August 2008 in Höhe von 40.619,23 €) eine interne Steuer in Höhe von 13.223,00 € entrichtet wurde.
Mit Bescheid vom 02.02.2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Elterngeld ab, da Bedienstete des Europäischen Patentamts grundsätzlich keinen Anspruch auf Elterngeld hätten. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.03.2009). Gemäß § 68 Nr. 15 a. SGB I gelte der "Elterngeldteil" des BEEG als besonderer Teil des SGB. § 30 Abs. 2 SGB I bestimme, dass Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt blieben. Das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union regele in Art. 14, dass das System der Sozialleistungen für die Beamten und sonstigen Bediensteten der Union durch europäisches Gesetz festgelegt werde. Dies impliziere, dass diese Personen von den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit ausgenommen seien. Die europäische Union habe eine eigene, an den Standards der EU-Mitgliedsstaaten orientierte Sozialpolitik. Sie unterlägen als Angestellte der EU nicht dem deutschen Sozialversicherungsrecht, sondern seien einem eigenen Krankenversicherung- und Pensionssystem eingegliedert. Daher bestehe kein Anspruch auf deutsche Familienleistungen.
Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht München den Beklagten mit Urteil vom 21.04.2010 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, der Klägerin Elterngeld für den 6. Lebensmonat in Höhe von 1671,43 € und für den 7. bis 12. Lebensmonat in Höhe von je 1800 € monatlich zu gewähren. Ein Anspruch auf Elterngeld sei für die Klägerin als Bedienstete des Europäischen Patentamts nicht ausgeschlossen. Der persönliche Anwendungsbereich des BEEG sei durch § 1 BEEG grundsätzlich abschließend geregelt und finde nur dann keine Anwendung, wenn dies in einer dem Ges...