Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.05.2014; Aktenzeichen B 10 EG 9/13 R)

 

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 2.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.3.2009 verurteilt, der Klägerin Elterngeld für den 6. Lebensmonat in Höhe von 1.671,43 EUR und für den 7. bis 12. Lebensmonat in Höhe von je 1800.- EUR monatlich zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Elterngeld für ihre 2008 geborene Tochter, wobei sie im Hinblick auf noch bis in den 6. Lebensmonat der Tochter hineinreichende Zahlungen von Dienstbezügen im Zusammenhang mit Mutterschaftsurlaub und Abgeltung von Jahresurlaub für den 6. Lebensmonat einen anteiligen Betrag und für den 7. bis 12. Lebensmonat die Gewährung des monatlichen Höchstbetrags von 1800,- EUR geltend macht. Die Klägerin ist Bedienstete des Europäischen Patentamts in M., sie wurde im Jahre 2006 zur Beamtin auf Lebenszeit des Europäischen Patentamts ernannt. Sie hat ihren Wohnsitz in F.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2.2.2009 die Gewährung von Elterngeld mit der Begründung ab, dass für Bedienstete des Europäischen Patentamts grundsätzlich kein Anspruch auf Elterngeld bestehe, da dieser Personenkreis einem eigenständigen Sozialsystem angehöre und somit von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit und damit auch von der Anwendung des Bundeselterngeldgesetzes ausgenommen sei.

Mit hiergegen erhobenem Widerspruch verwies die Klägerin darauf, dass die Anwendung des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeseltengeld- und Elternzeitgesetz - BEEG) für Bedienstete des Europäischen Patentamts nicht gemäß § 30 Sozialgesetzbuch Eins (SGB I) ausgeschlossen sei. Die Begründung, wonach Bedienstete des Europäischen Patentamts einem eigenständigen Sozialsystem angehörten und deshalb ihnen kein Elterngeld zustünde, beruhe auf keiner Vorschrift des Sozialgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland. Auch sehe das Europäische Patentamt keine dem Elterngeld vergleichbaren sozialen Leistungen für seine Bediensteten vor.

Mit gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 13.3.2009 erhobener Klage begehrt die Klägerin weiter Gewährung von Elterngeld. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2010 weist sie darauf hin, dass ihrerseits die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 BEEG erfüllt seien. Der Anspruch sei auch nicht ausgeschlossen. Dies sei nur dann der Fall, wenn dies spezialgesetzlich oder durch zwischen- oder überstaatliches Recht angeordnet sei. Denn nach dem in § 31 SGB I niedergelegten Gesetzesvorbehalt dürften u.a. Ansprüche auf Elterngeld nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes (oder durch vorrangiges Recht im Sinne von § 30 Abs. 2 SGB I) aufgehoben oder eingeschränkt werden. Sie verweist hierzu auf Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 30.9.2009, Az.: S 22 EG 6/09, nicht rechtskräftig. Allgemeine Erwägungen über die Zugehörigkeit der Beamten des Europäischen Patentamts zu einem anderen (zwischen- oder überstaatlichen) Sicherungssystem reichten hierfür nicht aus. Eine Spezialvorschrift oder eine Regelung des über- oder zwischenstaatlichen Rechts im Sinne von § 30 Abs. 2 SGB I, welche zu einer Unanwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes auf Beamte des Europäischen Patentamts führen könnte, existiere jedoch nicht. Im Übrigen sei auch der seit 1. Dezember 2009 geltende Artikel 14 des Immunitätenprotokolls der Europäischen Union auf Beamte des Europäischen Patentamts nicht anwendbar, da das Europäische Patentamt kein Organ der Europäischen Union sei, sondern vielmehr ein Organ der Europäischen Patentorganisation, einer eigenständigen zwischenstaatlichen Organisation, die durch das 1977 in Kraft getretene Europäische Patentübereinkommen gegründet worden sei. Sie verweist weiter darauf, dass für Beamte des Europäischen Patentamts das Protokoll über Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation (BGBl. II 1976, S. 985 ff.) gelte. In Art. 18 dieses Protokolls sei eine Befreiung der Bediensteten des Europäischen Patentamts von Pflichtbeiträgen an staatliche Sozialversicherungsträger genannt, sofern die Organisation ein eigenes Sozialversicherungssystem errichte. Diese Vorschrift beziehe sich ausdrücklich nur auf die Sozialversicherung. Auch aus einem Umkehrschluss zu § 3 Abs. 3 BEEG ergebe sich eine Anwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes auf Beamte des Europäischen Patentamts. Hierbei würden dem Elterngeld vergleichbare Leistungen, auf die eine nach § 1 berechtigte Person außerhalb Deutschlands oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung Anspruch habe, auf das Elterngeld angerechnet, soweit sie für denselben Zeitraum zustünden und die auf der Grundlage des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Verordnungen nicht anzuwenden seien. Wäre im Falle von Ansprüchen gegen eine zwischenstaatliche Organisation die Anwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes ...

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