Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Kostenfestsetzung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erbenhaftung. Erbengemeinschaft. Miterben als Gesamtschuldner. Ersatzanspruch als Nachlassverbindlichkeit. kein Haftungsausschluss
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kostenentscheidung zu einer Klage eines Erben gegen eine Erbenhaftung nach § 35 SGB 2 richtet sich nach § 197a SGG.
2. Ein Miterbe kann als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden. Miterben sind Gesamtschuldner nach § 2058 BGB, der Erbersatzanspruch ist eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 Abs 2 BGB.
3. Für eine Privilegierung nach § 35 Abs 2 Nr 1 SGB 2 wegen Pflege des Verstorbenen muss eine nicht nur vorübergehende Pflege erfolgt sein.
4. Bei der Frage, ob eine Inanspruchnahme gem § 35 Abs 2 Nr 2 SGB 2 eine besondere Härte bedeuten würde, ist auf die Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten Behördenentscheidung abzustellen.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 4. September 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass sie vom Beklagten als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns gemäß § 35 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Leistungen ersetzen soll.
Die 1966 geborene Klägerin bezog ab 01.01.2005 zusammen mit ihrem Ehemann und zunächst mit den beiden gemeinsamen Kindern Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld vom Beklagten. Der 1965 geborene Ehemann bezog auch einen Zuschlag nach § 24 SGB II a.F. bis 19.09.2005 in Höhe von monatlich 380,- Euro, danach in Höhe von 190,- Euro.
Erwerbseinkommen der Klägerin für eine Teilzeittätigkeit und Kindergeld wurden auf den Leistungsanspruch angerechnet. Holz für die Heizung wurde gesondert bewilligt.
Die Familie bewohnte zusammen mit der Schwiegermutter der Klägerin ein Eigenheim. Das Haus von insgesamt 115 qm Wohnfläche auf 361 qm Grund stand im je hälftigen Miteigentum des Ehepaars. Die Familie wohnte im Erdgeschoss auf 71 qm, die Schwiegermutter auf 44 qm im Obergeschoss. Die Schwiegermutter habe ein Wohnrecht - dieses sei nicht notariell beurkundet oder schriftlich vereinbart. Das Haus wurde im Jahr 1987 für insgesamt 90.000,- DM erworben. Im Jahr 2005 wurde der Dachstuhl für einen Betrag von ca. 15.000,- Euro erneuert.
Der Ehemann verfügte über eine Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von zunächst 26.600,- Euro.
Ab November 2005 bis März 2006 hatte der Ehemann eine Vollzeitbeschäftigung. Ab Dezember 2005 erfolgte kein Leistungsbezug mehr.
Im März 2006 wurde ein neuer Leistungsantrag gestellt. Der Ehemann bezog ab April 2006 Krankengeld. Als Vermögen wurden dabei unter anderem angegeben
- ein Sparbuch des Ehemanns über 1.726,- Euro,
- die Kapitallebensversicherung (Versicherungssumme nunmehr 27.887,- Euro),
- ein Bausparvertrag des Ehepaars über 1.742,- Euro und
- zwei Pkw (Pkw Subaru des Ehemanns mit Schätzwert von 6.900,- Euro).
Mit Bescheid vom 23.05.2006 wurden ab 01.06.2006 wieder Leistungen gewährt von monatlich rund 620,- Euro.
Am 26.05.2006 verstarb der Ehemann der Klägerin. Die Klägerin erhielt als Begünstigte die Lebensversicherung ausgezahlt.
Daraufhin wurde die Bewilligung mit Änderungsbescheid vom 14.06.2006 ab 01.06.2006 wegen Wegfall des Bedarfs des Ehemanns unter Anrechung des Erwerbseinkommens der Klägerin auf monatlich 143,31 Euro herabgesetzt. Die Klägerin wurde zugleich aufgefordert mitzuteilen, ob sie die Lebensversicherung erhalten habe und welche Rente sie beziehe. Die Klägerin verweigerte diese Auskünfte und zahlte 143,31 Euro zurück.
Nach Ermittlungen des Beklagten erhielt die Klägerin eine Witwenrente von monatlich netto 1.188,70 Euro, ab 01.09.2006 von monatlich 653,78 Euro. Daraufhin wurde mit Bescheid vom 19.07.2006 die Bewilligung aufgehoben und mit weiterem Bescheid vom 19.07.2006 der Leistungsantrag vom März 2006 wegen Einkommen abgelehnt
Die Klägerin bezog seitdem keine Leistungen nach SGB II oder SGB XII.
Nach dem vom Amtsgericht übermittelten Nachlassverzeichnis umfasste der Nachlass des Ehemanns ein Bankguthaben von 3.559,59 Euro, sonstige Gegenstände 6.000,- Euro und den hälftigen Anteil am Hausgrundstück mit 78.537,- Euro. Abzüglich Beerdigungskosten von 3.539,16 Euro ergab sich ein Reinnachlass von 88.619,- Euro.
Laut Erbschein wurde der Verstorbene zur Hälfte von der Klägerin und zu je einem Viertel von seinen beiden Kindern beerbt.
Der Beklagte berechnete die dem Ehemann ausgezahlten Leistungen ohne den Zuschlag nach § 24 SGB II a.F. und hörte die Klägerin zur Erbenhaftung über 2.011,66 Euro an. Hierzu äußerte sich die Bevollmächtigte der Klägerin.
Mit Bescheid vom 03.09.2008 forderte der Beklagte Kostenersatz in Höhe von 2.011,66 Euro von der Klägerin als Erbin ihres Ehegatten. Der Nachlass habe 86.919,- Euro betragen. Ausschlussgründe nach § 35 Abs. 2 SGB II (Nachlasswert unter 15.500,- Euro bei nicht nur vorübergehender Pflege im Haushalt oder besonderer Härte) lägen nicht ...