Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarbescheid. Rücknahme. Rückforderung. Abrechnungs-Sammelerklärung. Persönliche Leistungserbringung. Freie Praxis
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abgabe einer – ordnungsgemäßen – Abrechnungs-Sammelerklärung ist eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs eines Vertragsarztes auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen.
2. Erweist sich die Sammelerklärung als falsch und handelt es sich dabei nicht nur um ein schlichtes Versehen, entfällt die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung und damit eine Voraussetzung für den Honoraranspruch des Arztes, so dass der bereits ergangene Honorarbescheid rechtswidrig ist.
3. Eine Abrechnung und damit auch die Abrechnungssammelerklärung ist nicht nur dann falsch, wenn Leistungen zur Abrechnung kommen, die in einer nicht der Gebührenordnung entsprechenden Weise oder überhaupt nicht erbracht wurden, sondern auch dann, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit, in deren Rahmen die Leistungen erbracht wurden, nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeübt wurde, z.B. unter Missachtung des Gebots der persönlichen Leistungserbringung oder nicht innerhalb des Fachgebiets oder nicht in der in § 32 Abs.1 S. 1 Ärzte-ZV gesetzlich vorgeschriebenen Form der freien Praxis.
4. Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung gilt auch für Laborärzte.
5. § 45 SGB X ist über § 37 SGB I durch die auf der Grundlage des SGB V ergangenen speziellen Regelungen der §§ 45 Abs. 1 BMV-Ä, 34 Abs. 4 EKV-Ä bzw. §§ 40 Abs. 1 BMV-Ä a.F. und 21 Abs. 7 EKV-Ä a.F. ausgeschlossen.
Normenkette
BMV-Ä § 40 Abs. 1, § 45 Abs. 1-2; GV § 10 Abs. 1; EKV-Ä § 21 Abs. 7, § 34 Abs. 4; SGB X §§ 45, 50; SGB I § 37; Ärzte-ZV § 32 Abs. 1 S. 1
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.01.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
In diesem Rechtsstreit geht es um die Rückforderung von vertragsärztlichem Honorar aus der Zeit vom 4. Quartal 1992 bis zum 3. Quartal 1995 in Höhe von zusammen 4.209.076,26 DM.
Die Klägerin wurde mit Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Unterfranken vom 14. April 1992 als Ärztin für Laboratoriumsmedizin in W., S.straße, zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Im Quartal II/92 war sie mit den Frauenärzten Dres.S. (Dr. St.) und W. (Dr. W.) sowie der praktischen Ärztin Dr. A. (Dr. A.) unter der vorgenannten Adresse in Gemeinschaftspraxis tätig. Mit Schreiben vom 25. September 1992 zeigte sie dem Zulassungsausschuss an, dass sie ab 1. Oktober 1992 (Quartal IV/92) in Praxisgemeinschaft mit der Gemeinschaftspraxis bestehend aus Dr. St., Dr. W. und Dr. A. arbeiten werde. Bis einschließlich Quartal III/95 rechnete die Klägerin unter eigenem Namen mit der Beklagten ab. Ab dem 4. Quartal 1995 bis zum Quartal III/97 war sie wieder in Gemeinschaftspraxis mit den vorgenannten Ärzten tätig, wobei in der Zeit vom 4. Quartal 1995 bis 2. Quartal 1996 noch die Ärztin für Psychotherapeutische Medizin Dr. S. hinzukam und ab dem 19. Juli 1996 der Gynäkologe Dr. W. aus der Gemeinschaftspraxis ausschied. Die Gemeinschaftspraxis war im Wesentlichen frauenärztlich tätig und verfügte über eine Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen gemäß § 121a Abs.1 und 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 2 der Verordnung zur Übertragung von Aufgaben auf dem Gebiet der Sozialversicherung in der Fassung vom 18. Dezember 1990 (GVBl. S.572).
Die Klägerin hat zum 30. September 1997 auf ihre Zulassung als Laborärztin für den Vertragsarztsitz W. verzichtet. Der Frauenarzt Dr. St. wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 15. Dezember 1998 vom Landgericht W. wegen gemeinschaftlichen Betruges in 15 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. In den Urteilsgründen wird ausgeführt, durch die Ermittlung der Staatsanwaltschaft W. und der Beklagten stehe fest, dass die Gemeinschaftspraxis der Dres. St. und W. mit Dr. A. und der Klägerin nur zum Schein gegründet worden sei. Angebliche Leistungen der Klägerin und der praktischen Ärztin Dr. A. hätten nicht abgerechnet werden dürfen, da beide Ärztinnen ihre Tätigkeit nicht in freier Praxis ausgeübt hätten. Dr. W. wurde mit Urteil vom 14. Dezember 1998 aus demselben Grund zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten sowie einer Gesamtgeldstrafe von 720 Tagessätzen à 300,00 DM verurteilt. Gegen die Klägerin erging ein Strafbefehl des Amtsgerichts W. vom 30. April 1998 über eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und eine Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen à 60,00 DM wegen Beihilfe zum Betrug (der Dres. St. und W.). Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
Die Beklagte hat unter anderem mit Bescheid vom 13. März 1998 die Honorarbescheide der Klägerin für die Quartale IV/92 bis III/95 aufgehoben und die geleisteten Honorare in Höhe von zusammen 4.209.075,2...