Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. häusliche Pflege. Entlastungsbetrag nach § 45b SGB 11. Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen. Erfordernis der landesbehördlichen Anerkennung des Leistungserbringers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Erstattung der Aufwendungen nach § 45b SGB XI scheidet grundsätzlich aus, wenn der Leistungserbringer nicht über die erforderliche Anerkennung nach § 45a Abs 1 S 3 SGB XI verfügt.

2. Die Vorschriften des SGB XI sehen eine Gewährleistungspflicht der Pflegekassen für bedarfsgerechte und gleichmäßige Versorgungsstrukturen im Bereich der Angebote zur Unterstützung im Alltag nicht vor.

3. Der Anwendungsbereich des § 150 Abs 5b S 1 SGB XI ist auf pandemiebedingte Versorgungsengpässe beschränkt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.02.2022; Aktenzeichen B 3 P 16/21 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung der Kosten für haushaltsnahe Dienstleistungen.

Der Kläger und Berufungskläger ist der Ehemann der 1942 geborenen und am 2020 verstorbenen Versicherten A. (im Folgenden: Versicherte). Die Versicherte war bei der beklagten Pflegekasse pflegeversichert. Sie und der Kläger lebten bis zu ihrem Tod in einem gemeinsamen Haushalt. Die Versicherte erhielt ab dem 08.10.2018 Leistungen nach dem Pflegegrad 1.

Der Kläger übersandte mit Schreiben vom 31.01.2019 unter Bezugnahme auf ein am 22.01.2019 mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführtes Telefonat drei Rechnungen des Hausmeisterservice B1 über insgesamt 548,30 € für die 14tätige Bodenreinigung in den Monaten Oktober, November und Dezember 2018 mit dem Antrag, die anteiligen Kosten an die Versicherte zu überweisen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.03.2019 eine Erstattung der geltend gemachten Kosten ab. Nach § 45b Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) dürften nur die Kosten für Leistungen erstattet werden, welche durch zugelassene Pflegedienste oder durch Vertragspartner der Pflegekassen erbracht würden, bei denen eine Anerkennung nach Landesrecht vorliege. Eine solche Zulassung bestehe für die Firma B1 nicht.

Die Versicherte erhob dagegen Widerspruch und trug vor, dass die im Bereich ihres Wohnorts ansässigen Sozialdienste mit der Erbringung der Hilfeleistungen heillos überfordert seien und in absehbarer Zeit keine neuen Patienten mehr annehmen würden. Die Sozialstation W wie auch der ambulante Pflegedienst W1 hätten angegeben, dass es lange Wartelisten gäbe. Weiter entfernte Pflegedienste hätten ebenfalls keine freien Kapazitäten oder lehnten die Leistungserbringung wegen der langen Anfahrtszeit ab. Die Beklagte möge entweder einen Anbieter vermitteln oder die Firma B1 anerkennen. Schließlich sei es Aufgabe der Pflegeversicherung, eine entsprechende Infrastruktur bereitzustellen.

Mit Schreiben vom 08.04.2019 wies die Beklagte auf § 45b Abs. 1 Satz 3 Ziff. 4 SGB XI hin, wonach der Entlastungsbetrag der Erstattung von Aufwendungen diene, die dem Versicherten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen der nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung im Alltag im Sinne des § 45a SGB XI entstünden. Der von der Versicherten in Anspruch genommene Hausmeisterdienst besitze eine solche Anerkennung nicht. Die Vermittlung eines Anbieters obliege nicht der Beklagten, da diese als Körperschaft des öffentlichen Rechts keinen Einfluss auf den Wettbewerb unter den Anbietern nehmen könne und dürfe.

Nachdem die Versicherte erklärt hatte, den Widerspruch aufrechtzuerhalten, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2019 zurück.

Dagegen hat die Versicherte am 12.08.2019 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.

Der Bevollmächtigte der Klägerin hat zur Begründung vorgetragen, dass die Versicherte sich nach Kräften bemüht habe, einen anerkannten Pflegedienst oder eine Sozialstation mit der benötigten Leistung (Reinigung der Wohnung) zu beauftragen. Ganz offensichtlich stünden keine ausreichenden Versorgungsstrukturen zur Verfügung. Obwohl die Versicherte die Beklagte um Vermittlung eines anerkannten Anbieters gebeten habe, sei dies seitens der Beklagten nicht erfolgt. Die gesetzliche Pflegeversicherung habe jedoch sicherzustellen, dass ausreichend Angebote zur Unterstützung im Alltag vorhanden seien.

§ 45c SGB XI sehe die Förderung und Weiterentwicklung von Versorgungsstrukturen vor. Insoweit werde auf die entsprechenden Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes und des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. hingewiesen. Da die Versicherte trotz umfangreicher Bemühungen keine nach Landesrecht anerkannten Angebote zur Unterstützung gefunden habe und ausreichende Versorgungsstrukturen nicht zur Verfügung stünden, sei die Beklagte verpflichtet, den Entlastungsbetrag auch für Leistungen zur Verfügung zu stellen, die von einem nicht nach Landesrecht anerkannten Dienstleister erbracht ...

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