rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts. Grobe Fahrlässigkeit beim Nichterkennen eines Berechnungsfehlers. Rechtliche Bedeutung von Mitverschulden der Verwaltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Nichterkennen eines behördlichen Berechnungsfehlers beruht auf grober Fahrlässigkeit, wenn der Begünstigte den Fehler schon dann leicht hätte erkennen können, wenn er den wöchentlichen Zahlbetrag im Kopf überschlägig mit vier multipliziert hätte und er zu einer solchen Berechnung in der Lage gewesen wäre.
2. Auf ein Mitverschulden der Verwaltung kommt es für die Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids grundsätzlich nicht an. Eine Fehler des Verwaltungshandelns kann grobe Fahrlässigkeit allenfalls dann beseitigen, wenn die Verwaltung durch einen weiteren Fehler zusätzliches Vertrauen begründet hat.
3. Bürgerlich-rechtliches Bereicherungsrecht ist neben dem SGB X nicht anwendbar.
Normenkette
SGB X § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3, Abs. 1, 3-4, § 50 Abs. 1 Nr. 1; SGB III § 330 Abs. 2; BGB § 818 Abs. 3
Verfahrensgang
SG Würzburg (Entscheidung vom 12.11.2003; Aktenzeichen S 7 AL 384/00) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 12.11.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Unterhaltsgeld (Uhg) und die Rückforderung erbrachter Leistungen in Höhe von 6.947,75 DM (3.552,33 EUR).
Die 1971 geborene Klägerin war zuletzt bis 1995 als Verkäuferin beschäftigt. Vom 23.10.1995 bis 01.04.1996 nahm sie an einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme (Lehrgang: Bildung und Praxis für Erwachsene) teil. Sie meldete sich am 02.09.1999 persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Sie gab an, in der Vermittlungsfähigkeit auf Grund der Betreuung ihres Kindes eingeschränkt zu sein. Als wöchentliche Arbeitszeit kämen höchstens 25 Stunden in Betracht. Die Beklagte gewährte ihr daraufhin mit Bescheid vom 22.09.1999 Alg ab dem 02.09.1999 in Höhe von 143,92 DM wöchentlich. Mit zum Bestandteil des Bescheides erklärtem Schreiben vom 20.09.1999 wies die Beklagte darauf hin, dass das maßgebliche Bemessungsentgelt "fiktiv" ermittelt worden sei, da innerhalb der letzten drei Jahre vor Entstehung des Alg-Anspruches ein Bemessungszeitraum von mindestens 39 Wochen mit Anspruch auf Entgelt nicht festgestellt werden konnte. Es sei von einem tariflich geregelten Arbeitsentgelt für eine Tätigkeit als Bürokraft in Höhe von 2.832,00 DM monatlich auszugehen. Unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden ergebe sich ein Betrag von 420,00 DM, der als wöchentliches Bemessungsentgelt der Berechnung des Alg zugrunde zu legen sei.
Die Klägerin nahm vom 18.10.1999 bis 09.04.2000 an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung (Lehrgang: Office-Fachkraft) teil. Die Beklagte gewährte ihr für diese Zeit Teil-Uhg in Höhe von 421,47 DM bzw ab 01.01.2000 428,12 DM wöchentlich, wobei sie einen Betrag von 1.840,00 DM als wöchentliches Bemessungsentgelt berücksichtigte (Bescheid vom 26.10.1999 und Änderungsbescheid vom 03.01.2000). Im Antrag auf Uhg vom 29.09.1999 hatte die Klägerin unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt 6 "Förderung der beruflichen Weiterbildung" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.
Nachdem die Beklagte davon Kenntnis erhielt, dass als wöchentliches Bemessungsentgelt nicht ein Betrag von 1.840,00 DM sondern von 420,00 DM zu berücksichtigen gewesen wäre, hörte sie die Klägerin zur beabsichtigten Rückforderung des überzahlten Uhg an. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass sie die Bescheide nicht angezweifelt habe. Aus den Bescheiden sei nichts Falsches zu erkennen gewesen.
Mit Bescheid vom 04.06.2001 hob die Beklagte die Entscheidung über die Uhg-Bewilligung für die Zeit ab 18.10.1999 in Höhe von 277.55 DM wöchentlich und ab 01.01.2000 in Höhe von 278,18 DM wöchentlich teilweise auf. Als Bemessungsentgelt hätte nur ein Betrag von 420,00 DM wöchentlich angenommen werden dürfen. Dem Uhg sei das Bemessungsentgelt zugrunde zu legen, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden sei. Gleichzeitig forderte die Beklagte die Erstattung des überzahlten Uhg in Höhe von 6.947,75 DM.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2000 zurück. Die Klägerin habe in grob fahrlässiger Weise die Rechtswidrigkeit der Uhg-Bewilligung nicht erkannt. Ihr hätte klar sein müssen, dass ihr Uhg in fast dreifacher Höhe zu dem zuvor gewährten Alg nicht zustehe. Im Merkblatt sei angegeben, dass dem Uhg das Bemessungsentgelt zugrunde zu legen sei, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden sei. Das der Bewilligung von Uhg zugrunde gelegte Bemessungsentgelt sei jedoch viermal so hoch gewesen.
Dagegen hat die Klägerin am 21.08.2000 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Sie habe nicht gewusst, dass die Höhe des Uhg der Höhe des Alg entspreche. Es...