Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme des Medikaments Ney Tumorin

 

Orientierungssatz

Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben keinen Anspruch auf eine Therapie mit dem Medikament Ney Tumorin.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.06.2000; Aktenzeichen B 4 RA 65/99 R)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, in Zukunft Kosten für das Arzneimittel Ney Tumorin zu übernehmen bzw. zu erstatten.

Die am 1944 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Bei ihr liegt seit 1993 ein erneutes Rezidiv eines intraspinalen Ependymoms vor, dessentwegen die Klägerin bereits 1980 und 1991 operiert worden war. Am 21.04.1995 beantragte der Arzt für Naturheilverfahren Dr. M u.a. die Kostenübernahme für eine Therapie mit biomodularen Medikamenten Ney Tumorin. Ein operatives Vorgehen sei bei einem neurochirurgischen Konsil im Bezirkskrankenhaus ... als risikoreich eingestuft worden. Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein und lehnte mit Bescheid vom 11.08.1995 eine Kostenübernahme für Ney Tumorin ab.

Im Widerspruchsverfahren wies der Bevollmächtigte der Klägerin daraufhin, Ney Tumorin müsse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Kassenpatienten zur Verfügung gestellt werden. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 20.11.1995 zurückgewiesen.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage ließ die Klägerin vortragen, die Wirksamkeit einer Behandlung mit dem naturheilkundlichen Arzneimittel Ney Tumorin sei statistisch mindestens ebenso gesichert wie die der wesentlich teureren Chemotherapie. Der vom Sozialgericht beauftragte Dr. R, Leitender Arzt der ... Klinik, führte in seinem Gutachten vom 11. Juni 1996 aus, er halte den Ansatz des behandelnden Arztes Dr. M im speziellen Fall der Klägerin vor dem Hintergrund der eher seltenen Erkrankung für vertretbar. Die mögliche Wirksamkeit des Präparats Ney Tumorin sei allerdings besonders schwierig zu beurteilen. Die denkbaren Nebenwirkungen stellten keine zwangsläufige Kontraindikation für den Einsatz von Ney Tumorin bei der Klägerin dar.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. November 1996 festgestellt, daß die Erstattungsfähigkeit des Präparates Ney Tumorin bei der Art der Erkrankung der Klägerin nicht ausgeschlossen ist. Die Klage sei als sog. vorbeugende Feststellungsklage zulässig. Das Feststellungsinteresse resultiere aus dem Schutzbedürfnis der Versicherten, vom Kostenrisiko entlastet zu werden. Nach dem Therapieplan des behandelnden Arztes könne die Verordnung jederzeit aktuell werden. Nachdem das Präparat bislang nicht verordnet worden sei, sei eine Leistungsklage nicht möglich. Die vorgesehen Behandlung mittels Ney Tumorin sei nicht Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung. Wegen des seltenen Krankheitsbilds der Klägerin genüge dann die aus Therapieimmanenter Sicht nachvollziehbare Plausibilität einer Methode den Erfordernissen des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, wenn die strittige Methode für eine todkranke Versicherte möglicherweise die einzige und letzte Behandlungschance darstelle. Herstellerunabhängige Wirksamkeitsnachweise könnten wegen des seltenen Krankheitsbildes nicht gefordert werden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie im wesentlichen geltend macht, der therapeutische Nutzen Ney Tumorins entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, Ney Tumorin könne daher innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung nicht verordnet werden. Die Beklagte dürfe die Kosten auch nicht im Rahmen der sog. Außenseitermethoden anerkennen, da das Präparat nicht den Anforderungen an die Wirksamkeit eines von der Krankenversicherung zu leistenden Arzneimittels genüge. Ney Tumorin sei auch kein Arzneimittel einer besonderen Therapierichtung, insbesondere nicht der Homöopathie. Die Beklagte legte hierzu ein Schreiben der Leiterin der Arbeitsgruppe Arzneimittel des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen, Dr. G vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28.11.1996 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG), deren Wert des Beschwerdeverfahrens 1.000 DM übersteigt (§ 144 SGG) ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage ergibt sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Feststellungsklage muß nicht auf das Rechtsverhältnis in umfassenden Sinne zielen, es kann auch auf die Feststellung einzelner Rechte und Pflichten geklagt werden, die auf dem Rechtsverhältnis basieren und vom Inhalt dieses Rechtsverhältnisses abhängen (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 55 Rdz. 5a mit weiteren Nachweisen). Der Zulässigkeit der Klage steht...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge