Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarztrecht. Schätzungsermessen im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung. grobfahrlässige Falschabrechnung. sachlich-rechnerische Richtigstellung im Rahmen eines Plausibilitätsverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Das Schätzungsermessen im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung als sachlich rechnerische Richtigstellung ist auch dann ordnungsgemäß ausgeübt, wenn die falsch abgerechneten Gebührenordnungspositionen gestrichen und nicht in niedriger bewertete Gebührenordnungspositionen umgesetzt werden. Denn die KÄV ist nicht verpflichtet, die Abrechnungsunterlagen auf mögliche ungenutzte Abrechnungspotentiale hin zu überprüfen (Entscheidung des Senats vom 27. Mai 2009, L 12 KA 549/07).

 

Orientierungssatz

1. Die grob fahrlässige Falschabrechnung des Vertragsarztes ermächtigt die KÄV über die Berichtigung einzelner Leistungspositionen hinausgehend den gesamten Honorarbescheid aufzuheben und das Quartalshonorar neu festzusetzen.

2. Im Rahmen der Neufestsetzung des Honorars kann eine Schätzung erfolgen, die in der Regel nicht zu beanstanden ist, wenn die KÄV das Honorar in der Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe festsetzt.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.02.2013, S 28 KA 336/10, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Rücknahme und Neufestsetzung der Honorarbescheide für die Quartale 2/05 - 2/06. Der Kläger war ab dem 01.07.2002 als Frauenarzt (und später zusätzlich als Praktischer Arzt) in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit einem seit dem 23.04.2008 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts C-Stadt wurde der Kläger wegen Abrechnungsbetrug in 16 Fällen (Quartale 1/03 bis 4/06) zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von insgesamt 16.000 € (160 Tagessätze) verurteilt. Daraufhin wurden dem Kläger die Zulassung sowie die Approbation entzogen, nach Mitteilung des Klägerbevollmächtigten jedoch die Approbation zwischenzeitlich wiedererteilt. Aufgrund eines weiteren Strafbefehls des Amtsgerichts C-Stadt (rechtskräftig seit 25.04.2012) wurde der Kläger erneut wegen Abrechnungsbetrug in sechs Fällen (Quartale 1/07 - 2/08) zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von insgesamt 1.400 € (70 Tagessätze) verurteilt.

Die Beklagte leitete mit Schreiben vom 21.04.2009 eine Plausibilitätskontrolle für das Quartal 2/2005 aufgrund Auswahl nach dem Zufallsprinzip (§ 7 bzw. § 8 Gesamtvertrag Regionalkassen/Ersatzkassen) ein. Soweit hier streitgegenständlich, verwies sie auf Unklarheiten bezüglich des Ansatzes der Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697 EBM (postoperative Behandlung nach der Erbringung von bestimmten Leistungen bei Überweisung durch den Operateur), da der Kläger selbst der Operateur gewesen sei sowie des Ansatzes der Gebührenordnungsposition 31112 EBM (Eingriff an der Brustdrüse der Kategorie B2). Der Kläger verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass die Unterscheidung im Rahmen der postoperativen Behandlung zwischen Behandlung durch den Operateur selbst und "bei Überweisung durch den Operateur" durch den EBMplus zum 01.04.2005 neu eingeführt worden sei und von ihm versehentlich nicht erkannt und berücksichtigt worden sei. Er bat um eine entsprechende Korrektur der Abrechnung. Hinsichtlich des Ansatzes der Gebührenordnungsposition 31112 EBM vertrat er die Auffassung, die Abrechnungsvoraussetzungen hätten jeweils vorgelegen. Mit Schreiben vom 20.08.2009 informierte die Beklagte den Kläger über die Erweiterung der Prüfung auf die Quartale bis einschließlich 2/06. Eine außergerichtliche Rückzahlungsvereinbarung unterzeichnete der Kläger nicht.

Mit Bescheid vom 02.11.2009 nahm die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale 2/05 - 2/06 insoweit zurück, als sie den Honoraranspruch für Regional- und Ersatzkassen betrafen und setzte das Honorar für die einzelnen Quartale neu fest. Der zu erstattende Rückforderungsbetrag belief sich insgesamt auf 26.449,27 €, wobei auf die noch streitgegenständlichen Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697 EBM ein Betrag von 4998,29 € und hinsichtlich der Gebührenordnungspositionen 31112 EBM ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 7042,44 € entfiel. Die Gebührenordnungspositionen 31608, 31695 und 31697 EBM dürften nicht in Ansatz gebracht werden, wenn die postoperative Behandlung durch den Operateur erfolgt sei. In diesen Fällen sei jeweils eine andere, niedriger bewertete Ziffer anzusetzen. Diese Abrechnungsauffälligkeiten zeigten sich über den gesamten Prüfzeitraum. Hinsichtlich der Gebührenordnungsposition 31112 EBM führte die Beklagte aus, dass sich die eingereichten Dokumentationen zum Teil widersprächen. In den Karteikartenauszügen fände sich der Vermerk einer "FNP" (Feinnadelpunktion) und in den vorgefertigten OP-Berichten werde eine "Mamma-PE", also eine Mamma-Probenentnahme, dokumentiert. Nach Rücksprache mit d...

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