Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Einlegung der Berufung nach Ablauf der Berufungsfrist
Leitsatz (amtlich)
Zur Unzulässigkeit einer Berufung wegen Versäumnis der Berufungsfrist.
Orientierungssatz
1. Erforderlich zur Einhaltung einer gesetzlichen Frist ist, dass der fristwahrende (Berufungs-)Schriftsatz ordnungsgemäß adressiert und frankiert so rechtzeitig zur Post gegeben wird, dass er nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht hätte (vgl. BVerfG, 29. Dezember 1994, 2 BvR 106/93).
2. Verzögerungen bei der Briefbeförderung können dem Absender nicht als Verschulden zugerechnet werden, wobei dies jedoch allein die über den regelmäßigen Betriebsablauf hinaus verlängerte Postlaufzeit betrifft (vgl. LSG München, 7. September 2006, L 14 R 262/06).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17. Mai 2016 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Klägerin hat Verschuldenskosten in Höhe von 225,- € an die Staatskasse zu zahlen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, dass ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 50 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) festgestellt werden.
Mit Bescheid vom 21.09.2015 stellte der Beklagte in Ausführung des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 08.09.2015, Az.: L 3 SB 214/14, bei der Klägerin einen GdB von 50 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichens G fest.
Mit Widerspruchsschreiben vom 13.10.2015 begehrte die Klägerin einen höheren GdB als 50 sowie die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, aG und H.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Die dagegen zum Sozialgericht (SG) München am 08.01.2016 erhobene Klage ist mit Gerichtsbescheid vom 17.05.2016 abgewiesen worden. Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin mittels Postzustellungsurkunde am 20.05.2016 zugestellt worden.
Dagegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.06.2016, eingegangen beim Bayer. LSG am 21.06.2016, "Widerspruch" eingelegt und um eine "Erweiterung" des Urteils des LSG vom 08.09.2015 gebeten.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 22.07.2016 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Berufung verfristet und damit unzulässig ist. Wegen der offensichtlichen Unzulässigkeit der Berufung ist der Klägerin empfohlen worden, die Berufung zurückzunehmen. Zudem ist sie darauf hingewiesen worden, dass ihr im Fall einer Entscheidung des Senats durch Urteil Kosten in Höhe von mindestens 225,- € auferlegt werden könnten. Das gerichtliche Schreiben vom 22.07.2016 ist der Klägerin mittels Postzustellungsurkunde am 28.07.2016 zugestellt worden.
Am 29.07.2016 hat die Klägerin telefonisch um Zuleitung einer Kopie ihres Berufungsschriftsatzes mit dem gerichtlichen Posteingangsstempel gebeten. Sie werde - so die Klägerin - das Verfahren selbstverständlich für erledigt erklären, wenn ihr Schreiben zu spät angekommen sei. Im Übrigen hat sie über starke Schmerzen berichtet und angekündigt, gegebenenfalls einen Verschlimmerungsantrag zu stellen.
Am 05.10.2016 hat die Klägerin telefonisch mitgeteilt, dass sie auf zwei Krücken gehe und starke Schmerzen habe; sie könne daher nicht zum Termin der mündlichen Verhandlung erscheinen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 17.05.2016 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 21.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.12.2015 zu verpflichten, einen GdB von mehr als 50 und das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG München beigezogen. Vorgelegen haben auch die Akten des Verfahrens der Klägerin vor dem Bayer. LSG mit dem Aktenzeichen L 3 SB 214/14. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden können, da diese mit Schreiben des Senats vom 09.09.2016, der Klägerin am 13.09.2016 zugestellt, über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Klägerin hat zudem am 05.10.2016 telefonisch mitgeteilt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen beim angesetzten Termin der mündlichen Verhandlung nicht erscheinen werde; eine Vertagung hat sie nicht beantragt.
Die Berufung ist unzulässig, weil sie nach Ablauf de...