Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzneimittelregreß. Drogensubstitution mit DHC-Lösung. Voraussetzung für Einleitung einer Drogensubstitutionsbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Die Verordnung von DHC-Lösung iV mit Rohypnol, Flunitrazepam und Diazepam Präparaten kann nicht auf Kassenrezept zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erfolgen, denn diese Mittel sind nicht geeignet, das Ziel der Drogenabstinenz zu erreichen.

2. Eine Substitutionsbehandlung darf nur eingeleitet werden, wenn der Beginn einer Abstinenztherapie wegen der damit einhergehenden Belastungen im Hinblick auf eine weitere Krankheit oder auch eine Schwangerschaft/Geburt unzumutbar, die erfolgsversprechende Behandlung der Zweitkrankheit aber von der Beherrschbarkeit der Drogenproblematik zwingend abhängig ist. Es genügt nicht, daß der Einsatz von Ersatzdrogen nur sonstige wegen einer Krankheit notwendig werdende Hilfe im Bereich der Lebensführung bieten soll (vgl BSG vom 12.3.1996 - 1 RK 33/94 = SozR 3-2500 § 27 Nr 6). Des weiteren müssen die mit der Verwendung von Drogensubstitutionsmitteln verbundenen Gefahren (Perpetuierung der Abhängigkeit, Konsum mehrerer Suchtstoffe, Handel mit Medikamenten zur Geldbeschaffung für Heroin) möglichst gering gehalten werden.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Regressen wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise im 3. und 4. Quartal 1994. In der Sache geht es um die Verordnung von Dihydrocodeinhydrogentartrat (DHC-Lösung), Rohypnol, Flunitrazepam und Diazepam zur Drogensubstitution in insgesamt 27 Fällen (3/94: 7 Fälle; 4/94: 20 Fälle). Die Regreßbeträge belaufen sich im 3. Quartal 1994 auf DM 5.840,68 und im 4. Quartal 1994 auf DM 12.306,48, also insgesamt auf DM 18.147,16.

Der Kläger nahm im streitigen Zeitraum als praktischer Arzt in München an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Unter Hinweis darauf, daß der Kläger im 3. und 4. Quartal 1994 für insgesamt 20 Patienten DHC-Lösung meist in Verbindung mit Rohypnol, Flunitrazepam oder Diazepam verordnet habe, beantragte die AOK München mit Schreiben vom 31. Mai 1995 beim Prüfungsausschuß Ärzte München Stadt und Land, die Verordnungsweise für diese Quartale in Einzelfällen zu überprüfen. Als Indikation sei jeweils u.a. Polytoxikomanie angegeben worden. Es sei anzunehmen, daß die DHC-Lösung als Substitutionsmittel eingesetzt worden sei. Dies sei unzulässig. Zudem sei die Verordnung von Rohypnol, Flunitrazepam und Diazepam bei Polytoxikomanie kontraindiziert. Die Rückforderung betrage bei Abzug des Apothekenrabatts und der Kostenanteile für das 3. Quartal 1994 DM 5.840,68 und für das 4. Quartal 1994 DM 12.306,48. Die AOK legte eine Aufstellung bei, die im 3. Quartal 1994 7 Fälle und im 4. Quartal 1994 20 Fälle enthielt; außerdem waren darin die Menge, der Betrag und der Versichertenanteil aufgeführt.

In seiner Stellungnahme vom 23. Juni 1995 führte der Kläger aus, daß die Aussage, daß Flunitrazepam u.ä. in der Suchtbehandlung kontraindiziert sei, keineswegs eine allgemein geteilte Aussage sei. Er sei seiner Behandlungspflicht nachgekommen, indem er versuche, auch drogenabhängigen Patienten zu helfen. Endgültige Hilfe könne nur eine Entzugsbehandlung mit anschließender Therapie bringen. Die Methadonsubstitution könne keine ausschließliche Hilfe sein. Die meisten seiner Patienten erfüllten die dafür erforderlichen Kriterien, vor allem eine manifeste ernsthafte Begleiterkrankung, nicht. Wo es möglich gewesen sei, habe er die Patienten grundsätzlich an ein Methadonprogramm verwiesen. Ohne Substitution bleibe den Kranken nur Prostitution, Drogenhandel und Beschaffungskriminalität sowie ein erhebliches HIV/Hepatitis-Infektionsrisiko. Eine Codeinverordnung auf Kassenrezept trockne den Schwarzhandel mit der Gefahr der Neukundenwerbung aus. Dies untermauere die Tatsache, daß zur Zeit in Deutschland 25.000 Codeinsubstituierten 20.000 Methadonsubstituierten gegenüberstünden.

Mit Bescheiden vom 7. Dezember 1995 setzte der Prüfungsausschuß Ärzte München Stadt und Land für das 3. Quartal 1994 einen Regreß in Höhe von DM 5.840,68 sowie für das 4. Quartal 1994 einen Regreß in Höhe von DM 12.306,48 fest. Die von der AOK getroffenen Feststellungen hinsichtlich der angesprochenen Substitutionsbehandlung mit DHC-Lösung sowie der Kontraindikation der Präparate Flunitrazepam und Rohypnol seien zu bestätigen. Zur Begründung der dagegen eingelegten Widersprüche verwies der Kläger auf frühere Schreiben sowie auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 5. Juli 1995 (Az.: 1 RKa 6/95). In seinem Schreiben vom 30. September 1994 hatte er u.a. ausgeführt, daß Voraussetzung für die Verordnung von DHC-Lösung und/oder Flunitrazepam eine Anmeldung bei einer Einrichtung zur stationären oder ambulanten Entzugsbehandlung sei. Außerdem prüfe er regelmäßig Injektionszeichen, diese führten zum sofortigen Verordnungsabbruch. Des weiteren sei die Höchstmenge auf 12,5 DHC-Lösung und/oder 40 Tabletten Flunitrazepam pro 10 Tage begrenzt. Durch die Substitution behalte ein Großteil ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge