Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallfolgen. somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Bewegungsstörung. ICD-10 F 45.4 und ICD-10 F 44.4. MdE-Bewertung. 25 vH
Leitsatz (amtlich)
Feststellung psychischer Unfallfolgen, wie somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Bewegungsstörung.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. November 2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger bei dem Unfall vom 13.02.2001 lediglich eine Halswirbelsäulen (HWS)-Distorsion oder daneben eine somatoforme Schmerzstörung mit dissoziativer Bewegungsstörung erlitten hat und ihm Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 25 v.H. zu zahlen ist.
Der 1956 geborene Kläger, Kfz-Meister, wurde am 13.02.2001 auf dem Heimweg in einen Verkehrsunfall verwickelt. Bei einem Überholmanöver eines Lkw‚s wurde sein Fahrzeug an die Leitplanke gedrängt, am hinteren Radkasten berührt, durch einen Schleudervorgang um 180 Grad gedreht und nochmals von vorne von dem Lkw erfasst.
Im Durchgangsarztbericht vom 14.02.2001 diagnostizierte Prof. Dr. R. eine HWS-Distorsion; Frakturen konnten ausgeschlossen werden. In einer Nachschau am 19.02.2001 berichtete der behandelnde Arzt Dr. N. über radikuläre Symptome. In der Folgezeit entwickelte der Kläger Schwindel und Konzentrationsstörungen, die zur medizinischen Behandlung Anlass gaben. Die Ursache hierfür konnte auch in einem Magnetresonanztomogramm (MRT) vom 23.11.2001 nicht aufgeklärt werden. Der Dr. A. untersuchte den Kläger am 21.12.2001. Er stellte einen normalen neurologischen Befund fest und konnte einen gezeigten Haltetremor des rechten Armes keiner Ursache zuordnen. Der Dr. M. begann am 18.03.2002 eine antidepressive Therapie und deutete die Depression als Folge einer posttraumatischen Belastungsreaktion. Im Gutachten vom 06.05.2002 führte der Orthopäde Dr. N. aus, auf seinem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen mehr festzustellen. Der Dr. B. legte im Gutachten vom 25.04.2002 dar, wenn es bei dem Unfall zu einer Verletzung des zentralen Nervensystems gekommen wäre, hätten sich zentral-neurologische Defizite in unmittelbarem Zusammenhang einstellen müssen. Am ehesten sei eine somatoforme Störung zu diskutieren. Eine reaktive Depression oder Anpassungsstörung sei wegen des minderschweren Traumas auszuschließen. Die Arbeitsunfähigkeit finde vor einem neurosen-psychogenen Hintergrund statt.
Mit Bescheid vom 13.06.2002 erkannte die Beklagte den Arbeitsunfall mit der Folge einer Zerrung der HWS, bis zum 15.04.2001 dauernder Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für ein Jahr nach dem Unfall an. Eine Rentengewährung lehnte sie ab. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.09.2002).
Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Augsburg Klage mit dem Antrag, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren.
Das Sozialgericht zog Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. N., Dr. M. und Dr. D. (HNO) bei und einen Bericht der Psychosomatischen Klinik W. über ein Heilverfahren vom 29.08. bis 28.11.2002, einen Bericht des Dipl. Psych. Dr. S. vom 15.05.2003 über die Behandlung ab 25.03.2002 sowie Röntgenaufnahmen und ein MRT vom 07.11.2001. Es beauftragte die Neurologin und Psychiaterin Dr. D., ein Gutachten zu erstatten. Die Sachverständige führte am 08.07.2003 aus, die Beschwerden des Klägers seien am ehesten als somatoforme Schmerzstörung und dissoziative Störung zu deuten, für die der Unfall wesentlich mitursächlich war. Die unfallbedingte MdE schätzte sie anteilsmäßig auf 25 v.H. ein. Der von der Beklagten als Beratungsarzt befragte Dr. B. erklärte am 14.08.2003, es müsse vorab geklärt werden, ob es sich tatsächlich um eine Dystonie im organischen Sinne handle, die nicht in Unfallzusammenhang stehen könne. Scheide eine Dystonie als Ursache aus, so handle es sich bei der Bewegungsstörung um eine funktionelle, wobei dann durchaus der Argumentation der Sachverständigen Dr. D. zu folgen sei. Auszuschließen sei lediglich eine posttraumatische Dystonie. Der Kläger legte ein Gutachten des Prof. Dr. S./Dr. P., neurologische Klinik am Klinikum A-Stadt vor, das am 02.04.2003 für den Bayerischen Versicherungsverband erstattet worden war.
Das Sozialgericht beauftragte Prof. Dr. W., Neurologische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität B-Stadt, mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens. Der Sachverständige erläuterte im Gutachten vom 27.02.2004, seiner Meinung nach handle es sich um eine posttraumatische Dystonie, bei der sich organische oder psychogene Ursachen der Beschwerden nicht abklären ließen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall sei wahrscheinlich, aber letztendlich nicht vollstä...