Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Wanderarbeitnehmer. zuständiger Staat. Grenzgängereigenschaft. echter Grenzgänger. Behandlung als unechter Grenzgänger bei besonderen Bindungen an den Beschäftigungsstaat
Orientierungssatz
1. Ein echter Grenzgänger hat grundsätzlich nur Leistungsansprüche gegen den zuständigen Träger seines Wohnortstaates und zwar auch dann, wenn er allein im Staat der letzten Beschäftigung die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.
2. Ein vollarbeitsloser Arbeitnehmer, der die Kriterien des Art 1 Buchst b EWGV 1408/71 erfüllt, kann nur dann als unter Art 71 Abs 1 Buchst b fallender "Arbeitnehmer, der nicht Grenzgänger ist" angesehen werden, wenn er im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhält, dass er dort die besten Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung hat (vgl EuGH vom 12.6.1986 - 1/85 = SozR 6050 Art 71 Nr 8).
3. Nationale Leistungshindernisse des Wohnortstaates - wie hier der Bezug einer niederländischen Invalidenrente - zählen nicht zu solchen persönlichen oder beruflichen Bindungen des Arbeitnehmers an den Beschäftigungsstaat.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte als zuständiger Versicherungsträger dem Kläger ab 09.06.1997 Arbeitslosengeld (Alg) zu gewähren hat.
Der ... 1946 geborene und in B (Niederlande) wohnhafte Kläger - B befindet sich etwa 6 km von der deutsch-niederländischen Grenze entfernt - arbeitete seit 1959 abwechselnd in seinem Heimatstaat, in Belgien und in der Bundesrepublik Deutschland, von 1987 bis September 1994 jedoch ausschließlich außerhalb der Bundesrepublik Deutschland. Die ab Oktober 1994 bei der Firma F GmbH (Neuss) aufgenommene Tätigkeit als Maurer endete am 20.11.1995. Ab 10.10.1995 war der Kläger arbeitsunfähig krank und bezog vom 21.11.1995 bis 27.03.1997 von der Allgemeinen Ortskrankenkasse R (AOK) Krankengeld. Am 09.05.1996 beantragte er bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen (LVA) Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit. Mit Bescheid vom 10.06.1997 lehnte die LVA den Antrag ab, weil der Kläger trotz Nacken- und Rückenbeschwerden körperlich leichte Arbeiten noch vollschichtig, zB als Hausmeister, verrichten könne. Dieser Bescheid wurde rechtsverbindlich (Urteil des Sozialgerichts Münster vom 26.08.1999 - S 10 RJ 25/98; Berufungsrücknahme vom 20.03.2000 - LSG NRW L 4 RJ 204/99). Ab 27.03.1997 zahlt der niederländische Versicherungsträger dem Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente, die jedoch nur die in den Niederlanden zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt. Mit Bescheid vom 14.04.1997 lehnte der niederländische Versicherungsträger GAK Leistungen wegen Arbeitslosigkeit unter Hinweis auf den Bezug der niederländischen Erwerbsunfähigkeitsrente ab.
Am 09.06.1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Zahlung von Alg, das diese mit der Begründung ablehnte, der Kläger stehe wegen des Wohnsitzes in den Niederlanden der Arbeitsvermittlung der Beklagten nicht zur Verfügung (Bescheid vom 14.08.1997). Den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser Verfügbarkeit als unechter Grenzgänger geltend machte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13.11.1997 mit der Begründung zurück, für den als echten Grenzgänger zu beurteilenden Kläger sei der niederländische Arbeitslosenversicherungsträger zuständig.
Am 17.12.1997 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 14.08.1997/13.11.1997 zu verurteilen, ihm auf den Antrag vom 09.06.1997 hin Alg in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Zur Begründung hat er vorgetragen: Er sei im Sinne des Miethe-Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 12.06.1986 als atypischer Grenzgänger zu beurteilen. Somit habe er ein Wahlrecht, wo er den Alg-Anspruch geltend machen wolle. In der Bundesrepublik Deutschland gelte er als weiterhin vermittelbar, da die LVA Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit verneint habe. § 105 a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) finde Anwendung.
Mit Urteil vom 04.03.1999 hat das SG nach Beiziehung einer Auskunft der GAK-Nederland bv vom 16.09.1998 die Klage abgewiesen, weil der Kläger, der (echter) Grenzgänger gewesen sei, Leistungen nur beim Versicherungsträger seines Wohnortstaates geltend machen könne. Auf die Rechtsprechung des EuGH könne sich der Kläger nicht stützen, da in der Bundesrepublik Deutschland nicht die für ihn besten beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten bestünden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt: Er stehe wegen des Bezugs einer Invalidenrente dem niederländischen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. In Deutschland sei sein Antrag auf Erwerbs-/Berufsunfähigkeitsrente abgelehnt worden, daher habe er hier die besten Chancen, eine Arbeitsstelle zu finden. Auch erhalte er bislang auf Grund der in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten weder Rente noch Alg. Die Beklagte stelle insoweit auf den in der Bundesrepublik Deutschland fehlenden Wohnsitz ab, also auf ...