Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Verfügbarkeit. Erreichbarkeit. Nichtmitteilung der neuen Wohnanschrift in der Schweiz. Postfachanschrift ungenügend
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Umzug von Deutschland in die Schweiz nicht mitgeteilt, fehlt es an der Erreichbarkeit iS von § 1 Abs 1 EAO (juris: ErreichbAnO) auch dann, wenn die neue Wohnung nur wenige Kilometer von der alten Wohnung entfernt liegt und auf Schreiben des Arbeitslosen kommentarlos eine Postfachanschrift in Deutschland angegeben ist.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.04.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung von Leistungen iHv 7.518,72 € wegen der Nichtmitteilung eines Umzuges.
Der Kläger meldete sich am 02.10.2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Dabei gab er als seine Anschrift R-Straße. 83, K-Stadt an. Den Antrag und die Versicherung, Änderungen unverzüglich anzuzeigen sowie das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen zu haben unterzeichnete der Kläger unter dem 11.12.2009. Die Angaben bestätigte er nochmals mit Handzeichen und dem Datum 16.02.2010. Auch auf einem Schreiben vom 16.02.2010 gab er als Anschrift R-Straße. 83, 78467 K-Stadt an. Als weitere Postanschrift war zudem ein Postfach in K-Stadt genannt. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 22.02.2010 idF des Änderungsbescheides vom 07.04.2010 Alg ab 01.01.2010 für 360 Tage iHv 61,47 € täglich. Mit Bescheid vom 30.06.2010 wurde die Alg-Bewilligung ab 01.06.2010 gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) aufgehoben. Widerspruch dagegen legte der Kläger nicht ein.
Nach einem Vermerk der Beklagten erfolgte am 19.01.2010 und am 06.05.2010 (46 BA) eine telefonische Rückfrage beim Kläger, nachdem es zu einem Postrücklauf gekommen war. Dabei habe der Kläger bestätigt, dass die bisherige Adresse stimme. Nachdem am 02.07.2010 ein Schreiben an den Kläger mit dem Vermerk "verzogen" und am 23.07.2010 mit dem Vermerk "unbekannt" zurückgekommen war, erfuhr die Beklagte am 04.08.2010 bei einem Anruf im Bürgerbüro K-Stadt, der Kläger sei zum 25.02.2010 nach A-Stadt, Schweiz umgezogen. Zu einer etwaigen Aufhebung der Leistungsbewilligung und Leistungserstattung angehört, gab der Kläger an, er habe die Veränderung bei der Beklagten im Rahmen der erneuten Abgabe des Alg-Antrages mitgeteilt. Postalisch sei er über das Postfach erreichbar gewesen und habe auch immer reagiert. Die Verlegung seines Wohnsitzes knapp hinter die Grenze sei unerheblich, da weiter eine räumliche Nähe gegeben sei. Auch eine zeitliche Nähe hätte bestanden, wenn er nicht mit dem Geschäft so beschäftigt gewesen wäre.
Mit Bescheid vom 25.08.2010 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 25.02.2010 wegen Ortsabwesenheit auf und forderte mit Bescheid vom 25.08.2010 die Erstattung von Alg für die Zeit vom 25.02.2010 bis 31.05.2010 iHv 5.901,12 € sowie mit weiterem Bescheid vom 25.08.2010 die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 25.02.2010 bis 31.05.2010 iHv 1.607,60 €.
Hiergegen legte der Widerspruch ein. Ihm sei die nachteilige Veränderung seiner Verhältnisse nicht bekannt gewesen. Die Kenntnisnahme des Merkblattes sei nur formularmäßig bestätigt worden und in den 11 Punkten zu Beginn des Merkblattes sei im Hinblick auf die Mitteilungspflicht zu Umzug und Ortsabwesenheit nur von "soll" und "bitte" die Rede. Seine Erreichbarkeit habe vorgelegen, da die neue Adresse nur 2,7 km von der Agentur für Arbeit K-Stadt entfernt liege. Sein sozialer Lebensmittelpunkt sei weiterhin K-Stadt. Er sei laufend mit der Beklagten in Kontakt gewesen und habe ausdrücklich seine Postfachanschrift mitgeteilt. Diese habe sich nicht geändert und er habe die Post immer abgeholt. Er sei an jedem Werktag erreichbar gewesen. Eine Mitteilungspflicht sei ihm nicht bekannt gewesen und hätte ihm auch nicht bekannt sein müssen, da er von seiner Erreichbarkeit für die Beklagte ausgegangen sei. Es fehle an einem grob fahrlässigen Verhalten, da die Mitteilungspflicht ihm wegen der gleichbleibenden Postanschrift völlig sinnlos erscheine. Soweit er in seinen Schreiben weiterhin die alte Anschrift angegeben habe, liege dies an der unbeabsichtigten Verwendung alter gespeicherter Briefvorlagen. Wegen des Postfaches habe sich auch ein Nachsendeauftrag erübrigt. Seit Juni 2010 sei er selbstständig. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 zurück. Ohne Postnachsendeauftrag sei der Kläger in eine Nachbargemeinde umgezogen. Mangels entsprechender Mitteilung fehle es an einer Verfügbarkeit. Seinen Alg-Antrag habe der Kläger postalisch abgegeben, wobei es keinen Hinweis auf einen Umzug gegeben habe. Im Hinblick auf die Ausführungen im Merkblatt sei die Nichtmitteilung des Umzuges grob fahrlässig gewesen.
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