Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Anforderung an die Annahme einer Minderung der Erwerbsfähigkeit. Anforderung an eine Verweisungstätigkeit bei Berufsunfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Orientierungssatz
1. Hat ein Facharbeiter (hier: Schreiner) zuletzt eine Tätigkeit ausgeübt, die nach kurzer Anlernphase ausgeübt werden kann, so ist für die Feststellung einer Verweisungstätigkeit im Rahmen der Prüfung einer Berufsunfähigkeit die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgeblich, auch wenn für deren Ausübung der erlernte Beruf vorteilhaft war.
2. Einzelfall zur Beurteilung einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit und daraus resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (hier: Erwerbsminderung verneint).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 07.12.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung und weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.
Der 1953 geborene Kläger hat eine Lehre als Möbeltischler absolviert und war anschließend durchgehend bei seinem Ausbildungsbetrieb versicherungspflichtig beschäftigt. Im Jahr 2003 wurde beim Kläger das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung festgestellt, die mit einem Stent versorgt wurde, ohne dass ein Herzinfarkt erfolgt war. Seit dem 24.10.2007 bestand Arbeitsunfähigkeit infolge einer erneuten akuten Herzerkrankung.
Ein im Januar 2008 gestellter Rentenantrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 26.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.07.2008 abgelehnt. Das hiergegen vor dem Sozialgericht Würzburg unter dem Az. S 8 R 482/08 geführte Klageverfahren wurde nach Einholung eines Terminsgutachtens von Dr. R. vom 24.03.2009 durch Rücknahme beendet.
Am 16.06.2009 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wegen seiner Herzbeschwerden, seines Rückens und einer Zuckererkrankung. Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. S. vom 12.08.2009 sowie ein internistisch/kardiologisches Gutachten von Frau Dr. H. vom 23.09.2009 ein. Beide Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger zwar seine letzte Tätigkeit als Schubladenbauer in der Möbelindustrie nicht mehr ausüben könne, jedoch für den allgemeinen Arbeitsmarkt noch ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen vorliege.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 01.10.2009 einen Rentenanspruch ab. Der hiergegen am 09.10.2009 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Rente nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - komme nicht in Betracht, da der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Auch eine Rente nach § 240 SGB VI komme nicht in Betracht, da der Kläger nach Auskunft seines letzten Arbeitgebers nur als angelernter Arbeitnehmer tätig gewesen sei und sich somit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse. Die Benennung eines Verweisungsberufs sei nicht erforderlich.
Hiergegen hat der Kläger am 03.11.2009 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Zur Begründung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass der Kläger zwischenzeitlich in der Klinik Bad N. in stationärer psychosomatischer Behandlung gewesen und hieraus am 09.06.2009 als arbeitsunfähig entlassen worden sei. Bei ihm sei Berufsschutz anzuerkennen, da er eine Berufsausbildung als Schreiner absolviert habe, als Schreiner von der Ausbildungsfirma auch übernommen worden und durchgehend dort tätig gewesen sei. Er sei auch als Schreiner entlohnt worden und genieße somit Facharbeiterschutz, so dass es durchaus entscheidend sei, dass die Gutachter im Verwaltungsverfahren zu der Ansicht gelangt seien, dass er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Für eventuelle Verweisungstätigkeiten fehle dem Kläger jedoch infolge der psychischen Erkrankung die notwendige Umstellungsfähigkeit.
Das Sozialgericht hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte ein internistisches Gutachten von Dr. D. eingeholt, der am 05.10.2010 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:
- Koronare Herzerkrankung; 1-Gefäß-Erkrankung; Zustand nach PTCA und 2-fach Stent RCA 11/03; Kontrollangiographisch 80 %ige Stenose eines kleinen rechtsventrikulären Seitenastes und hämodynamisch nicht-relevante 20-30 %ige RCA-Stenose im Stent bei normaler linksventrikulärer Herzfunktion
- Diabetes mellitus Typ IIa
- Beginnende diabetische Neuropathie ohne wesentliche Funktionseinschränkung und ohne quantitative Einschränkung des Leistungsv...