Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungsrecht: Sozialversicherungspflicht eines Fahrlehrers

 

Leitsatz (amtlich)

Fahrlehrer ohne Fahrschulerlaubnis sind regelmäßig abhängig beschäftigt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.08.2020; Aktenzeichen B 12 R 20/20 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 11. März 2019 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 12.109,24 EUR.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 12.109,24 EUR.

Der Inhaber der Klägerin verfügt über eine Fahrlehrerlaubnis und eine Fahrschulerlaubnis und betreibt eine Fahrschule.

Der Beigeladene zu 1 verfügt über eine Fahrlehrerlaubnis, jedoch keine Fahrschulerlaubnis. Er ist Eigentümer eines nach Umrüstung mit vom Beigeladenen zu 1 geschätzten Kosten iHv ca 1000,00 EUR nunmehr fahrschultauglichen Kfz. Der Beigeladene zu 1 ist an der Klägerin nicht unternehmerisch beteiligt, zB gesellschaftsrechtlich, zivilrechtlich oä.

Der Beigeladene zu 1 war vom 01.02.2013 bis 31.03.2013 als geringfügig Beschäftigter bei der Klägerin als Fahrlehrer tätig und wurde wieder ab 01.01.2015 für die Klägerin aufgrund eines Fahrlehreranstellungsvertrages als abhängig Beschäftigter tätig.

Am 20.03.2013 schlossen der Inhaber der Klägerin und der Beigeladene zu 1 einen "Mietvertrag", wonach der Beigeladene zu 1 für die Klägerin ab 01.04.2013 "als freiberuflicher Fahrlehrer für die Fahrschule" arbeitet und dabei sein privates Fahrschulfahrzeug (oder ein von ihm zu beschaffendes Ersatzfahrzeug) der Klägerin zur Verfügung stellt. Für das Fahrschulauto hatte der Beigeladene zu 1 sämtliche Unkosten zu tragen. "Für die Bereitstellung" des Fahrschulautos wurde der Beigeladene zu 1 nach dem "Mietvertrag" wie folgt vergütet:

* Pauschbetrag von 20,00 EUR brutto für eine normale Fahrstunde (45 Minuten),

* Pauschale von 23,80 EUR brutto für theoretischen Unterricht (90 Minuten),

* Pauschalbetrag von 25,00 EUR brutto für eine Sonderfahrt (45 Minuten),

* Pauschale von 50,00 EUR brutto für eine Vorstellung zur praktischen Prüfung.

Abgerechnet werde die monatliche Vergütung gemäß zu erstellender Rechnung auf der Basis der Tagesnachweise des Beigeladenen zu 1 monatlich im Nachhinein. Nach Angaben des Beigeladenen zu 1 hatte er ca 40% Unkosten, so dass sein Verdienst aus den Pauschalen entsprechend geringer gewesen sei.

Für September 2013 stellte der Beigeladene zu 1 der Klägerin beispielsweise 66 Fahrstunden, 30 Sonderfahrstunden 4 Prüfungen und "Sonstiges 2*T" zu 23,80 Euro, insgesamt 2317,60 Euro brutto in Rechnung.

In der Zeit vom 15.05.2017 bis 16.05.2017 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 01.10.2013 bis 31.12.2016 statt. Nach entsprechender Anhörung, bei der der Beigeladene zu 1 angab, 2 bis 3 Tage pro Woche mit 15 bis 20 Stunden noch für eine weitere Fahrschule tätig gewesen zu sein, was bei der Prüfung der anderen Fahrschule durch die Beklagte mangels entsprechender Abrechnungen bei der andere Fahrschule nicht bestätigt werden konnte, forderte die Beklagte von der Klägerin mit Bescheid vom 12.06.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2018 insgesamt 12.109,24 EUR an Sozialversicherungsbeiträgen nach für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin auf der Grundlage des "Mietvertrages" in der Zeit vom April 2013 bis Dezember 2014. Der Beigeladene zu 1 habe in dieser Zeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden. Im Sozialversicherungsrecht sei nach der Rechtsprechung (BayLSG Urteil vom 11.11.2014, L 5 R 910/12) zu beachten, dass nach § 1 Abs 4 Fahrlehrergesetz (FahrlG) für eine selbständige Tätigkeit als Fahrlehrer eine Fahrschulerlaubnis erforderlich sei, über die der Beigeladene zu 1 nicht verfügt habe. Zumindest ergebe eine Gesamtabwägung aller relevanten Umstände, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe.

Mit Urteil vom 11.03.2019 wies das Sozialgericht Regensburg die hiergegen erhobene Klage ab. Der rechtliche Rahmen gebe vor, dass es sich bei der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 für die Klägerin um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt habe. Eine selbständige Tätigkeit als Fahrlehrer setze rechtlich voraus, dass der Fahrlehrer zusätzlich zu seiner Fahrlehrererlaubnis auch über eine Fahrschulerlaubnis verfüge, § 1 Abs 4 FahrlG. Der Gesetzgeber habe in § 1 Abs. 4 FahrlG den sozialrechtlichen Beschäftigungsbegriff wortgleich aus dem SGB übernommen. Auch § 10 Abs 1 Satz 1 FahrlG enthalte ausdrücklich das Erfordernis einer Fahrschulerlaubnis für eine selbständige Tätigkeit als Fahrlehrer. Eine entsprechende Entscheidung des BayLSG (Urteil vom 11.11.2014, L 5 R 910/12) habe das BSG mit Beschluss vom 25.02.2016, B 12 R 4/15 B, im Ergebnis bestätigt. Auch ergäbe die Abwägung aller relevanten Umstände ein abhängiges Beschäftigungsve...

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