Entscheidungsstichwort (Thema)

Alterssicherung der Landwirte: Befreiung von der Versicherungspflicht wegen außerlandwirtschaftlichen Einkommens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der nach §§ 57, 58 SGB II idF vom 20.07.2006 gezahlte Gründungszuschuss stellt eine einem Erwerbsersatzeinkommen vergleichbare Leistung dar, die die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte begründen kann.

2. Dabei ist auch der Anteil von 300 € zur sozialen Sicherung als Einkommen iSd § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG zu berücksichtigen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.08.2016 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 17.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2015 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin für die Zeit vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu befreien.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte für die Zeit von 01.01.2010 bis 30.09.2010.

Die Klägerin ist 1981 geboren und seit 2009 mit dem Landwirt M. A. verheiratet. 2010 wurde das gemeinsame Kind N. geboren. Dies teilte ihr Ehemann der Beklagten im Rahmen einer Prüfung des Familienstandes mit einem am 15.11.2012 bei der Beklagten eingegangenen Formblatt mit.

Mit Bescheid vom 06.12.2012 stellte die Beklagte fest, dass für die Klägerin als Ehegattin eines landwirtschaftlichen Unternehmers seit 05.12.2009 Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse bestehe, da das bewirtschaftete Unternehmen die für die Versicherungspflicht erforderliche Mindestgröße erreiche. Mit ihrem Widerspruch vom 20.12.2012 legte die Klägerin einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht vom 18.12.2012 vor und gab an, bereits im Jahr 2009 nicht nur die Verheiratung mitgeteilt, sondern auch Antrag auf Befreiung von der Beitragszahlung gestellt zu haben.

Mit Bescheid vom 21.01.2013 befreite die Beklagte die Klägerin ab 01.01.2013 von der Versicherungspflicht zu landwirtschaftlichen Alterskasse, da für sie Zeiten wegen Kindererziehung in der deutschen Rentenversicherung oder in vergleichbaren Systemen angerechnet würden. Eine frühere Befreiung sei wegen der Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 und 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) nicht möglich, da danach eine rückwirkende Befreiung nur möglich sei, wenn der Antrag innerhalb von 3 Monaten ab dem Zeitpunkt der Eheschließung gestellt werde. Der im Dezember 2012 eingegangene Befreiungsantrag könne seine Wirkung daher erst ab 01.01.2013 entfalten. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin anschließend Widerspruch mit dem Ziel einer früheren Befreiung von der Versicherungspflicht ein. 2013 wurde das zweite Kind der Klägerin geboren. Auf ihren Befreiungsantrag vom 23.09.2013 befreite die Beklagte die Klägerin daraufhin bis 30.09.2016 weiter von der Versicherungspflicht.

Mit Schreiben vom 07.11.2013 informierte die Beklagte die Klägerin darüber, dass die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG mittlerweile rückwirkend durch Art. 16b des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze - BUK - Neuorganisation - BUK-NOG) aufgehoben worden sei und die rückwirkende Überprüfung der Befreiung nunmehr möglich sei. Allerdings müsse die Klägerin für diese Zeit das Vorliegen eines Befreiungs-tatbestandes nachweisen. Nach den bisher vorliegenden Unterlagen sei dies erst ab 01.10.2010 möglich.

Die Klägerin übersandte daraufhin verschiedene Unterlagen. Nach dem Einkommensteuerbescheid für 2009 hatte die Klägerin im Jahr 2009 Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 3.609 €. Vom 17.05.2009 bis 09.01.2010 erhielt sie Arbeitslosen-geld I in Höhe von 3.955,05 €, davon 3.838,50 € vom 17.05.2009 bis 31.12.2009 und 116,55 € vom 01.01.2010 bis 09.01.2010 (Bestätigung der Agentur für Arbeit W.). Vom 10.01.2010 bis 09.10.2010 erhielt sie einen Gründungszuschuss von monatlich 688,50 € als Zuschuss, darin enthalten eine Pauschale von 300 € zur sozialen Sicherung (Bewilligungsbescheid der Agentur für Arbeit B-Stadt vom 22.02.2010).

Mit dem streitigen Bescheid vom 17.03.2014 befreite die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 05.12.2009 bis 31.12.2009 und für die Zeit von 01.10.2010 bis 31.12.2012 von der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte. Bis 31.12.2009 habe sie außerlandwirtschaftliches Einkommen in ausreichender Höhe erzielt. Ab 01.10.2010 könne die Befreiung wegen der Kindererziehung ausgesprochen werden. Vom 01.01.2010 bis 30.09.2010 könne allerdings von dem gezahlten Gründungszuschuss von 688,50 € monatlich nur ein Betrag von 388,50 € monatlich als Erwerbsersatzeinkommen angerechnet werde, nicht aber die Pauschale von 300 € monatli...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge