Entscheidungsstichwort (Thema)

Soldatenversorgung. Grundwehrdienst. Wehrdienstbeschädigung. wehrdiensteigentümliche Verhältnisse. nächtlicher Sturz aus dem Kasernenfenster

 

Orientierungssatz

Zum Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach den §§ 80 S 1, 81 Abs 1 und Abs 6 S 1, 88 Abs 1 S 1 SVG iVm § 9 BVG wegen der Folgen der bei einem nächtlichen Sturz aus dem Kasernenfenster (hier: Unterbringung in einem Vierbettzimmer mit Doppelstockbetten und einem Stuhl vor dem Fenster mit einer Brüstungshöhe von 93 cm) erlittenen Verletzungen.

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts L. vom 2. Mai 2000 werden zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Nach Aufhebung des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 19.10.2004 - L 15 VS 15/00 - und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.11.2006 - B 9a VS 1/05 R - sowie der Beiladung der Bundesrepublik Deutschland streiten die Beteiligten weiterhin um Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen der Folgen eines Sturzes aus einem Kasernenfenster der inzwischen abgerissenen S.-Kaserne in L..

Der 1973 geborene Kläger beantragte am 06.10. und 20.12.1993 Beschädigtenversorgung. Als Wehrpflichtiger (Größe 173 cm, Gewicht 70 kg, kein Heimschläfer, ein entsprechender Antrag war abgelehnt worden) sei er am 15.09.1993 morgens gegen ca. 4.30 Uhr vor dem Unterkunftsgebäude verletzt aufgefunden worden; am Abend sei er gegen 2.00 Uhr zu Bett gegangen, an den Unfallhergang habe er keinerlei Erinnerung.

Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 27.09.1993 gab der Kläger an, am Abend zuvor bis gegen ca. 20.00 Uhr im Mannschaftsheim nach Dienstende Karten gespielt und 1 Halbe Bier getrunken zu haben; anschließend habe er sich umgezogen und sei gegen 21.30 Uhr in die Disco "M." in L. gegangen, wo er weitere 4 bis 5 Halbe Weißbier getrunken habe; danach sei er mit den Kameraden W. und S. noch ins Lokal "P." gegangen; er habe normal zu Abend gegessen, reichlich, eine Wurstplatte; seiner Meinung nach seien bei seiner Heimkehr die beiden äußeren Fensterflügel geschlossen gewesen; er könne sich den Unfall nur so erklären, dass in seinem Zimmer zu Hause Fenster und Türen gerade seitenverkehrt seien wie in der Kaserne.

Die Kriminalpolizeiinspektion L. ermittelte eine Höhe der Fensterbrüstung von 93 cm und eine Höhe von der Fensterbrüstung zum Pflaster bzw. zur Teerdecke von 9 m; sie fügte ihrem Bericht Fotos der Außenfassade, eines Blutflecks auf dem Pflaster und einer Innenaufnahme eines Teils der Stube bei; auf letzterem Foto Nr.4 befindet sich rechts neben dem geöffneten Fenster ein Stockbett, neben dem ein Stuhl ziemlich dicht am Fenster steht; Fingerabdrücke und die Konzentration des Alkohols im Blut des Klägers wurden nicht ermittelt; Hinweise auf Fremdverschulden oder Suizidversuch ergaben sich nicht.

Neben dem Kläger waren auf der Stube 202 im 2. Obergeschoss des Unterkunftsgebäudes noch die Soldaten E., D. und F. untergebracht. Der Zeuge F. gab an, der Kläger sei gegen 2.15 Uhr mit D. und E. heimgekommen; er habe noch kurz mit den anderen geredet, sich dann ausgezogen und sei ins Bett gegangen; wie viel der Kläger getrunken habe, wisse er nicht. Der Zeuge D. bestätigte diese Angaben im Wesentlichen und gab ergänzend an, gegen 3.30 Uhr ebenfalls zu Bett gegangen zu sein; zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger geschlafen; wie auch der Zeuge E. wisse er nicht, welche Menge Alkohol der Kläger getrunken habe, er habe über alles gelacht und sei getorkelt.

Der diensthabende Gefreite vom Dienst (GvD), Panzerschütze D., gab an, gegen 4.15 Uhr an der Eingangstür ein Klopfen und Klinkedrücken gehört zu haben, woraufhin er in den 1. Stock gegangen sei und aus dem Fenster geblickt habe; dort habe er den Kläger gesehen, wie er vor der Türe gesessen und mit der Hand die Türklinke bewegt habe; er sei nur mit einer Unterhose bekleidet gewesen; er habe den Unteroffizier vom Dienst (UvD) geweckt; gemeinsam hätten sie die Tür aufgesperrt und gesehen, dass der Kläger im Gesicht aufgeschürft gewesen sei, eine Ferse habe stark geblutet, der Kläger habe gemeint, sie sollten ihn ins Bett bringen, es passe dann schon; er habe den Eindruck gehabt, dass der Kläger so einen Rausch gehabt habe, dass er nicht mehr wusste, was mit ihm los war; er habe schon gemerkt, dass der Kläger betrunken gewesen sei, aber wie er sich mit ihm unterhalten habe, sei er voll da gewesen; er sei nicht bewusstlos gewesen und habe auch nicht fantasiert; zusammen mit dem UvD hätten sie eine Blutspur vor dem Gebäude bemerkt und diese verfolgt; sie hätten gesehen, dass im 2.Stock ein Fenster geöffnet und genau unterhalb dieses Fensters auf dem Teer ein Blutfleck gewesen sei.

Im neurologischen Konsil vom 15.09.1993 gab der Kläger gegen 16.4...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge