nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsanspruch eines Soldaten für die Folgen eines Sturzes im Kasernengelände bei ungeklärter unmittelbarer Ursache

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine dem Wehrdienst eigentümliche Gefahr, die einen Anspruch nach dem SVG begründet, kann auch die Kasernierung des Soldaten als solche sein.

2. Die objektive Beweislast des Verletzten für die Ursächlichkeit wehrdiensteigentümlicher Gefahren kann sich im Wege einer Interessenabwägung umkehren, wenn der Verletzte zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens keinen Einfluss auf die Ermittlungen der Bundeswehrverwaltung oder der Polizei hatte und auch nicht in der Lage war, aus dem Krankenhaus heraus entsprechende Ermittlungen durch einen Prozessbevollmächtigten zu veranlassen.

 

Normenkette

SVG § 80 S. 1, § 81 Abs. 1, 5, § 88 Abs. 1 S. 1; BVG § 9

 

Verfahrensgang

SG Landshut (Entscheidung vom 02.05.2000; Aktenzeichen S 9 V 2/96)

 

Nachgehend

BSG (Aktenzeichen B 9a VS 1/05 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 02.05.2000 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) wegen der Folgen eines Sturzes aus einem Kasernenfenster der inzwischen abgerissenen S.- Kaserne in L ...

Der 1973 geborene Kläger beantragte am 06.10. und 20.12.1993 Beschädigtenversorgung. Als Wehrpflichtiger (Größe 173 cm, Gewicht 70 kg, kein Heimschläfer) sei er am 15.09. 1993 morgens gegen ca. 4.30 Uhr vor dem Unterkunftsgebäude verletzt aufgefunden worden; am Abend sei er gegen 2.00 Uhr zu Bett gegangen, an den Unfallhergang habe er keinerlei Erinnerung.

Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 27.09.1993 gab der Kläger an, am Abend zuvor bis gegen ca. 20.00 Uhr im Mannschaftsheim nach Dienstende Karten gespielt und 1 Halbe Bier getrunken zu haben; anschließend habe er sich umgezogen und sei gegen 21.30 Uhr in die Disco "M." in L. gegangen, wo er weitere 4 bis 5 Halbe Weißbier getrunken habe; danach sei er mit den Kameraden W. und S. noch ins Lokal "P." gegangen; er habe normal zu Abend gegessen, reichlich, eine Wurstplatte; seiner Meinung nach seien bei seiner Heimkehr die beiden äußeren Fensterflügel geschlossen gewesen; er könne sich den Unfall nur so erklären, dass in seinem Zimmer zu Hause Fenster und Türen gerade seitenverkehrt seien wie in der Kaserne.

Die Kriminalpolizeiinspektion L. ermittelte eine Höhe der Fensterbrüstung von 93 cm und eine Höhe von der Fensterbrüstung zum Pflaster bzw. zur Teerdecke von 9 m; sie fügte ihrem Bericht Fotos der Außenfassade, eines Blutflecks auf dem Pflaster und einer Innenaufnahme eines Teils der Stube mit geöffnetem Fenster bei; auf diesem Foto Nr. 4 befinden sich rechts neben dem Fenster ein Stockbett, neben dem ein Stuhl ziemlich dicht am Fenster steht; Fingerabdrücke und die Konzentration des Alkohols im Blut des Klägers wurden nicht ermittelt; Hinweise auf Fremdverschulden oder Suizidversuch ergaben sich nicht.

Neben dem Kläger waren auf der Stube 202 im 2. Obergeschoss des Unterkunftsgebäudes noch die Soldaten G. , D. und M. untergebracht. Der Zeuge M. gab an, der Kläger sei gegen 2.15 Uhr mit D. und G. heimgekommen; er habe noch kurz mit den anderen geredet, sich dann ausgezogen und sei ins Bett gegangen; wie viel der Kläger getrunken habe, wisse er nicht. Der Zeuge D. bestätigte diese Angaben im Wesentlichen und gab ergänzend an, gegen 3.30 Uhr ebenfalls zu Bett gegangen zu sein; zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger geschlafen; wie auch der Zeuge G. wissen er nicht, welche Menge Alkohol der Kläger getrunken habe; man habe ihm angemerkt, dass er etwas mehr getrunken habe, er habe über alles gelacht und sei getorkelt.

Der GvD-habende Panzerschütze D. gab an, gegen 4.15 Uhr an der Eingangstür ein Klopfen und Klinkedrücken gehört zu haben, woraufhin er in den 1. Stock gegangen sei und aus dem Fenster geblickt habe; dort habe er den Kläger gesehen, wie er vor der Türe gesessen und mit der Hand die Türklinke bewegt habe; er sei nur mit einer Unterhose bekleidet gesehen; er habe den UvD geweckt; gemeinsam hätten sie die Tür aufgesperrt und gesehen, dass der Kläger im Gesicht aufgeschürft gewesen sei; eine Ferse habe stark geblutet; der Kläger habe gemeint, sie sollten ihn ins Bett bringen, es passe dann schon; er habe den Eindruck gehabt, dass der Kläger so einen Rausch gehabt habe, dass er nicht mehr wusste, was mit ihm los war; er habe schon gemerkt, dass der Kläger betrunken gewesen sei, aber wie er sich mit ihm unterhalten habe, sei er voll da gewesen; er sei nicht bewusstlos gewesen und habe auch nicht fantasiert; zusammen mit dem UvD hätten sie eine Blutspur vor dem Gebäude bemerkt und diese verfolgt; sie hätten gesehen, dass im 2. Stock ein Fenster geöffnet und genau unterhalb dieses Fensters auf dem Teer ein Blutfleck gewesen sei.

Im neurologischen Konsi...

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