nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfall. Weg. Fahruntüchtigkeit. Alkohol. Blutalkoholkonzentration. Alkoholtypische Ausfallserscheinungen. Geschwindigkeit. Kurve. Beweis
Leitsatz (redaktionell)
Macht der Unfallversicherungsträger geltend, es liege kein Arbeitsunfall i.S.v. § 8 Abs. 2 SGB VII vor, weil der Unfall im Wesentlichen auf der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Versicherten beruhe, bedarf dieser Einwand des vollen Beweises. Gleiches gilt für etwaige alkoholtypische Ausfallserscheinungen zum Nachweis relativer Fahruntüchtigkeit.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1-2, § 56
Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 16.12.2002; Aktenzeichen S 3 U 2/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.12.2002 aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2001 verurteilt, den Unfall des Klägers vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall zu entschädigen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten dieses Rechtsstreits zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seines Verkehrsunfalls vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall.
Der 1975 geborene Kläger, Produktionskraft bei der Firma H. Präzisionsdrehteile, GBR, erlitt am 26.10.1999 auf dem Heimweg von der Spätschicht gegen 22.50 Uhr einen Unfall. Er kam mit seinem Pkw Renault, Baujahr 1984 oder 1987 auf der Landstraße zwischen H. und B. in einer Rechtskurve mit 2 % Gefälle nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr in einen Acker und überschlug sich mehrmals. Die Straße war 6 m breit, gut ausgebaut und zum Unfallzeitpunkt trocken. Ca. 550 m vor der Unfallstelle war die Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h begrenzt durch das Vorschriftzeichen 274 StVO und 500 m vorher war mit dem Gefahrzeichen 114 StVO auf Schleudergefahr bei Nässe oder Schmutz mit dem Zusatzschild Spurrinnen hingewiesen. Die Länge der Gefahrstrecke betrug 1,5 km. Der Kläger zog sich ein schweres Polytrauma zu und ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt.
Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die einschlägigen medizinischen Unterlagen, ein Leistungsverzeichnis der BKK V. , die Akten der Staatsanwaltschaft E./Landratsamt H./Bußgeldstelle bei. Sie hörte den Arbeitskollegen D. K. , den Bruder H. G. an, holte einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.W. vom 06.08.2000 sowie Gutachten des Prof.Dr.E.M. (Direktor der Abteilung Rechtsmedizin im Universitätsklinikum U.) vom 13.11.2000 und Prof.Dr.W.E. (Institut für Rechtsmedizin der Universität M.) vom 12.01.2001 ein. Die durchgeführte immunologische Analyse der um 0.25 Uhr entnommenen Blutprobe ergab einen positiven Befund für Cannabis und einen Blutalkoholmittelwert von 0,44 °/oo. Sie holte weiter ein Gutachten des Deutschen Wetterdienstes über die Wetterverhältnisse am 25./26.10.1999 vom 17.08.2000 ein.
Mit Bescheid vom 28.05.2000 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsansprüchen aus Anlass des Unfalls ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien nicht zu erbringen, da die zum Unfallzeitpunkt bestehende alkohol- bzw. drogenbedingte relative Fahruntüchtigkeit als rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall zu werten sei.
Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei aufgrund eines die Fahrbahn überquerenden Rehs auf der nassen Fahrbahn ins Schleudern geraten. Cannabis habe er zuletzt vier Tage vor dem Unfall genommen. Straf- und Bußgeldverfahren seien eingestellt worden. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2001 den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Cannabisgenuss sei in Verbindung mit Alkohol allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 26.10.1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Er hat vorgetragen, der vier Tage zurückliegende Cannabiskonsum habe nicht zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit geführt. Er sei bei Fahrtantritt durchaus fahrtüchtig gewesen wie sein Arbeitskollege K. , den er nach Hause gefahren habe, bezeugen könne. Wegen eines auf der Fahrbahn stehenden Rehs sei ein Ausweichmanöver erforderlich gewesen. Bei gleicher Sachlage wäre auch ein nüchterner Verkehrsteilnehmer verunglückt.
Das SG hat die Akten der Staatsanwaltschaft E. sowie das Notarzteinsatzprotokoll beigezogen und den Zeugen M. J. , der den Unfallverletzten aufgefunden hatte, am 21.04. 2002 schriftlich gehört.
Mit Urteil vom 16.12.2002 hat das SG - dem Antrag der Beklagten entsprechend - die Klage abgewiesen. Die Fahruntüchtigket infolge der Kombinationswirkung von Alkohol und Betäubungsmitteln sei die rechtlich allein wesentliche Ursache für den Unfall gewesen. Für ein durch ein Reh verursachtes Ausweichmanöver gebe ...