Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Anrechnung eines fiktiven steuerlichen Gewinns als Einkommen auf eine vorzeitige Altersrente bei Arbeitslosigkeit
Orientierungssatz
1. Entsteht ein fiktiver Gewinn aus Gewerbebetrieb aufgrund einer besonderen steuerrechtlichen Regelung zur Förderung der Schifffahrtindustrie im Zeitpunkt des Verkaufs oder anderweitigen Untergangs des Schiffes automatisch und geht dieser steuerliche fiktive Gewinn nicht mit einem tatsächlichen Zufluss an Geld oder Geldeswert einher, ist es notwendig, für die sozialrechtliche Frage der Anrechnung von Einkommen im Sinne des § 34 Abs. 2 SGB VI zu prüfen, ob tatsächlich ein entsprechender Einkommenszufluss vorliegt, entweder in Geld oder Geldeswert, ob dieser Einkommenszufluss während des Rentenbezugszeitraumes erfolgt und gleichzeitig aus der gewerblichen Tätigkeit resultiert (Parallelität zwischen Einkommenszufluss und Rentenleistung).
2. Einen Automatismus, dass eine steuerrechtliche Feststellung eines Gewinnes aus selbstständiger Tätigkeit automatisch als Zufluss von Einkommen und Hinzuverdienst nach § 34 Abs. 2 SGB VI zu werten ist, besteht nicht. Vielmehr kann eine Anrechnung nur erfolgen, wenn ein Zufluss von Einkommen tatsächlich erfolgt und ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem während des Rentenbezuges noch ausgeübten bzw. bestehenden Arbeitsverhältnis oder der selbständigen Tätigkeit besteht.
Normenkette
SGB VI § 34 Abs. 2-3, § 96a; EStG § 5a Abs. 1, 4; SGB X § 48 Abs. 1 S. 2 Nrn. 3-4; SGB IV § 14; SGG § 160 Abs. 2 Nrn. 1-2
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.02.2017 sowie der Bescheid der Beklagten vom 01.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.01.2014 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 01.07.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.01.2014, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 13.10.2009 über die Bewilligung einer Altersrente bei Arbeitslosigkeit nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - aufgehoben und vom Kläger überzahlte Rente für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 in Höhe von 15.082,26 EUR zurückgefordert hat. Der 1948 geborene Kläger beantragte am 01.09.2009 bei der Beklagten die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.10.2009 (nach Zeiten des Leistungsbezuges vom 01.09.2007 bis 30.08.2009), die die Beklagte mit Bescheid vom 13.10.2009 in Höhe von monatlich laufend 1.247,15 EUR bewilligte. Auf Seite 3 des Bescheids war auf Mitwirkungspflichten hingewiesen, insbesondere im Hinblick auf die Erzielung von Einkommen. Bezüglich der Hinzuverdienstgrenzen wurde auf Anlage 19 des Bescheids verwiesen.
Mit Schreiben vom 17.06.2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er ab dem 18.05.2010 ein neues Gewerbe angemeldet habe. Es handele sich hierbei um eine Haushüter-Agentur (Vermittlung von Arbeitskräften). Laut Erfahrungen des Verbandes Deutscher Haushüter-Agenturen, dem er beigetreten sei, würde im ersten Firmenjahr nach Gründung kaum ein Gewinn oder allenfalls ein sehr geringer Überschuss erwirtschaftet. Laut Auskunft der Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung in A-Stadt, bei der er einen Beratungstermin gehabt habe, dürfe der Reingewinn pro Jahr nicht den Betrag von 4.800,00 EUR übersteigen, da sonst die 2/3-, oder 1/2- oder 1/3-Regelung eintrete. Er werde am jeweiligen Jahresende eine entsprechende Aufstellung der Einnahmen und der Kosten seiner gewerblichen Tätigkeit zusenden und zusätzlich den Einkommensteuerbescheid. Unter dem 20.07.2010 gab der Kläger an, ein monatliches Einkommen in Höhe von 300,00 EUR bis 350,00 EUR monatlich aus Gewerbebetrieb zu erzielen.
Mit Schreiben vom 11.02.2012 übersandte der Kläger der Beklagten ("vorab") seine Anlage zur Einkommensteuererklärung 2010, betreffend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Daraus sei ersichtlich, dass die Einkünfte als Einzelunternehmer 2010 mit./. 2.529,00 EUR dem Finanzamt gemeldet worden seien. Ein Einkommensteuerbescheid liege noch nicht vor. Für 2011 ergäben sich ebenfalls keine Einnahmen, da die Geschäftstätigkeit praktisch geruht habe. In 2012 habe er eine Erweiterung seines Dienstleistungsangebotes vorgenommen und die Internet-Seiten entsprechend erweitert. "Dies nur so zur allgemeinen Information".
Auf Nachfrage der Beklagten vom 02.05.2012 übersandte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 2010, aus dem sich ein Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.092,00 EUR ergab, allerdings auch Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 11.869,00 EUR. Hierzu legte der Kläger einen Leistungsbescheid des Pensions-Sicherungs-Vereins vor, wonach er ab dem 01.10.2009 Anspruch auf eine Betriebsrente in Höhe von 1.065,78 EUR monatlich habe. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 22.06.2012 mit, dass er die Hinzuverdienstgrenze eingehalten habe...