Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. Angemessenheitsgrenze bei selbst genutztem Hausgrundstück. Schonvermögen. Unangemessenheit wegen hoher Schuldzinsen. keine Verlängerung der 6-Monats-Frist. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 darf nicht danach unterschieden werden, ob es sich um eine Mietwohnung oder ein nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 geschütztes selbst genutztes Hausgrundstück handelt.
2. Hat der Arbeitsuchende von der Unangemessenheit der Unterkunftskosten für das selbst genutzte Eigenheim (durch zu hohe Schuldzinsen) Kenntnis erlangt (hier Hinweis im Bewilligungsbescheid), so scheidet eine Verlängerung der 6-Monats-Frist des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 aus, wenn keine weiteren besonderen Umstände vorliegen bzw nachgewiesen werden.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nunmehr noch für einen Teil des Monats Dezember 2005.
Der 53-jährige Kläger zu 1 und die 48-jährige Klägerin zu 2 sind miteinander verheiratet. Der Kläger zu 1 bezog vom 01.08.2003 bis einschließlich 21.05.2005 Arbeitslosengeld; im Monat Dezember 2005 hatte er kein Einkommen. Die Klägerin zu 2 ist Beamtin bei der A. in Besoldungsgruppe A 12 BBesO; diese Position hatte sie auch im streitgegenständlichen Zeitraum inne. Im Dezember 2005 belief sich, unter anteiliger Einbeziehung von Einmalzahlungen, das Einkommen der Klägerin zu 2 aus dem Beamtenverhältnis auf 3.523,70 Euro brutto; die berufsbedingten Fahrtkosten (eigener Pkw) für diesen Monat betrugen 100,32 Euro. Beide Kläger verfügten im streitgegenständlichen Zeitraum nicht über anrechenbares Vermögen.
Die Kläger bewohnen ein ihnen gehörendes Einfamilienhaus mit 97 qm Wohnfläche, das auf einem ca. 2.400 qm großen Außenbereichsgrundstück liegt. Das Haus hatten die Kläger im Juni 2002 gekauft; der Kaufpreis betrug 347.678,48 Euro (zuzüglich Kaufnebenkosten). Zur Finanzierung griffen sie größtenteils auf Fremdkapital zurück. Zum 01.04.2005 bestanden Verbindlichkeiten der Kläger gegenüber der darlehensgebenden Bank in Höhe von 340.786,97 Euro. Daraus resultierte für den Monat Dezember 2005 eine Zinsbelastung in Höhe von 1.708,71 Euro. Dazu kamen Wohn-Nebenkosten (Heizung ohne Warmwasser, Grundsteuer, Kaminkehrer, Müllabfuhr, Wasser, Kanal, Wohngebäudeversicherung) in Höhe von 169,13 Euro.
Am 14.03.2005 stellten die Kläger erstmalig einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte lehnte diesen mit Bescheid vom 03.06.2005 ab, weil das Einkommen den maßgeblichen Bedarf übersteigen würde. Dabei legte er monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 474,00 Euro kalt (7,90 Euro/qm kalt in F.) und von 643,13 Euro warm zugrunde; der Beklagte ging von einer maximal angemessenen Wohnfläche von 60 qm aus. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 15.06.2006 Widerspruch ein. Am 19.06.2005 erteilte der Beklagte den Klägern Hinweise zur Unangemessenheit ihrer Wohnung.
Sodann hob der Beklagte den Bescheid vom 03.06.2005 mit Bescheid vom 04.07.2005 auf. Zugleich gewährte er den Klägern von Juni bis einschließlich November 2005 Leistungen in Höhe von 430,83 Euro monatlich. Für den Monat Dezember 2005 dagegen verweigerte er sie nach wie vor. Deswegen legten die Kläger mit Schreiben vom 25.07.2005 erneut Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2005 als unbegründet zurückwies.
Mit Schriftsatz vom 15.12.2005 erhoben die Kläger Klage zum Sozialgericht München; dabei beabsichtigten sie, einen Ablehnungsbescheid des Beklagten für den Folgezeitraum ab Januar 2006 in das gerichtliche Verfahren einzubeziehen. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 23.05.2006 abgewiesen. Einerseits hat es für den Folgebescheid eine Einbeziehung in das Verfahren verneint. Im Übrigen hat es die Klage als unbegründet erachtet. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, die den Klägern entstünden, seien unangemessen; in diesem Zusammenhang hat das Sozialgericht auf das örtliche Mietenniveau abgestellt. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II bedinge keine Besserstellung der Bewohner von Eigenheimen gegenüber Mietern; eine solche wäre vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG bedenklich.
Dagegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 22.07.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung bringen sie vor, die tatsächlich entstehenden Kosten für ihr Eigenheim müssten auch nach Ablauf des Monats November 2005 Berücksichtigung finden; insbesondere sei die Zinsbelastung in voller Höhe anzusetzen. Die Kläger leiten dies in erster Linie aus § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ab. Eigenleistungen seien in Höhe von 42.000,00 E...