Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Erwerbsminderung: Rentenrechtliche Relevanz psychischer Erkrankungen. Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Vorliegen teilweiser Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Erwerbsminderungsrente.
Orientierungssatz
1. Psychische Erkrankungen werden erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant und stationär) belegt ist, dass ein Versicherter die psychischen Einschränkungen nicht überwinden kann - weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe (BSG, 12. September 1990, 5 RJ 88/89, BSG, 29. März 2006, B 13 RJ 31/05 R). Dies ist solange nicht zu bejahen, wie ärztlicherseits noch zumutbare - d.h. nicht-invasive - Behandlungsoptionen beschrieben werden, die noch nicht ergriffen worden sind.
2. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung kommt auch in Betracht, wenn zwar nur eine teilweise Erwerbsminderung nachgewiesen ist, aber von einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ausgegangen wird (vgl. BSG, 11. Dezember 1969, GS 4/69, BSG, 10. Dezember 1976, GS 2/75).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.04.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Der 1958 geborene Kläger durchlief von Juli 1973 bis Juli 1976 eine Ausbildung zum Dachdecker. Im Jahr 1997 legte er eine Teilprüfung der Dachdeckermeisterprüfung ab und war in der Folgezeit von 1997 an selbstständig. Am 22.06.2007 ist ein Antrag und nachfolgend eine Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) dokumentiert. Im Mai 2009 nahm der Kläger nach entsprechender Ausbildung eine Tätigkeit als Fachverkäufer für Werkzeuge auf, wobei ihm zum Oktober 2009 gekündigt wurde. Beim Kläger hatte schon seit längerem ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 vorgelegen, der ab Januar 2008 auf 50 erhöht worden war.
Auf Veranlassung der Agentur für Arbeit H-Stadt wurde ein Gutachten durch Dr. M. erstellt, der am 10.08.2010 zum Ergebnis kam, dass der Kläger zumindest für eine Zeit bis zu sechs Monaten weder in seinem Beruf noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig sei.
Am 17.02.2011 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Diese ließ den Kläger am 26.05.2011 chirurgisch durch Dr. R. und neurologisch-psychiatrisch durch Frau Dr. F. untersuchen, wobei zusammengefasst folgende Gesundheitsstörungen beschrieben wurden:
1. Depressive Anpassungsstörung.
2. Seelische Überlagerung körperlicher Beschwerden.
3. LWS-Syndrom mit wiederkehrender Lumboischialgie rechts bei Zustand nach Spondylodese L4/L5 (11/2009), mittelgradige Funktionseinbuße ohne motorische Ausfälle.
4. Chronisches Schmerzsyndrom.
5. Mäßige Funktionseinbuße des rechten Schultergelenkes bei beginnender Engpass-Symptomatik.
Die berufliche Einsatzfähigkeit als Dachdecker sei dauerhaft aufgehoben. Als Fachberater für Dachdecker sei der Kläger jedoch ohne zeitliche Einschränkung einsatzfähig. Er könne täglich sechs Stunden und mehr leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus verrichten. Vermieden werden müssten Tätigkeiten mit ständigem Zeitdruck, mit Selbst- und Fremdgefährdung, mit besonderen Anforderungen an das Konzen-trations- und Reaktionsvermögen, mit schwerem Heben und Tragen ohne Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel, mit häufigem Bücken und ständiger Zwangshaltung sowie häufigem Überkopfarbeiten und überwiegend witterungsausgesetzten Tätigkeiten. Als Fachberater für Werkzeuge und Maschinen bestehe ein vollschichtiges Einsatzvermögen. Die geistigen Anforderungen sollten nicht überspannt werden.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2011 den Rentenantrag ab und legte dar, dass der Kläger ohne zeitliche Einschränkung auf die Tätigkeit als Fachberater für Maschinen verwiesen werden könnte.
Der Widerspruch des Klägers vom 04.07.2011 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2011 zurückgewiesen. Die Tätigkeit des Klägers sei zuletzt als Anlerntätigkeit einzustufen gewesen und daher könne der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, auf dem er einsatzfähig sei. Die Beklagte hatte hierzu eine Auskunft der Firma O. eingeholt, wonach der Kläger als Fachverkäufer in der Werkzeug- und Maschinenabteilung eingesetzt gewesen sei. Der Kläger habe zunächst als Praktikant im Unternehmen gearbeitet und sei nur als Verkäufer eingesetzt worden. Die Dauer der Beschäftigung sei vom 01.06.2009 bis 25.10.2009 gelaufen. Der Kläger habe über ein BFW-Zertifikat zur Weiterbildung zum Fachberater Werkzeug und Maschinen verfügt.
Nach stationärer Behandlung des Klägers vom 11.07.2011 bis 22.07.2011 wegen lumbaler Schmerzen kam Dr. L. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten zum Ergebnis, dass sich in sozialmedizinischer Hinsicht kein...