Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Schülerunfall. Kausalität. Gesundheitsschaden. Fehlen eines geeigneten Unfallmechanismus. bestehende Schadensanlage. Ausriss des Muskelansatzes am Schienbein. Sprung beim Basketballsport

 

Orientierungssatz

Haben bei Nichtvorliegen eines geeigneten Unfallmechanismus neben dem äußeren Ereignis (hier: Sprung während des Basketballunterrichts) bereits bestehende Schadensanlagen (hier: Neigung zur Ausrenkung der Kniescheibe wegen nicht geschlossener Wachstumsfuge bei pathologischem Längenwachstum) als allein wesentliche Ursache den Gesundheitsschaden verursacht (hier: knöcherner Ausriss des Muskelansatzes am Schienbein), liegt die für einen Versicherungsfall erforderliche Kausalität nicht vor.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. Juni 2007 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 12. Juli 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung eines versicherten Unfalles des Klägers als Schüler.

Der 1985 geborene Kläger erlitt am 2. Mai 2001 laut Unfallanzeige des Schulleiters in der Staatlichen Realschule A-Stadt Verletzungen am linken Bein und Ellenbogen beim Aufkommen nach einem Sprung beim Basketballunterricht. Der Durchgangsarzt, der Chirurg Prof. Dr. B., erklärte im Bericht vom 2. Mai 2001, der Kläger habe beim Absprung Schmerzen im linken Knie verspürt und beim Aufkommen nicht mehr laufen können. Zuvor sei er nicht gestürzt und habe keinen Tritt erhalten. Er stellte die Diagnose: knöcherner Ausriss des Muskelansatzes am Schienbein (Tuberositas tibiae). Laut Operationsbericht vom gleichen Tag wurde die Tuberositas refixiert; das mediale Retinaculum (mittleres Halteband) war zerrissen. Am 10. Mai 2001 wurde der Kläger aus dem Krankenhaus mit der Diagnose: knöcherner Patellasehnenausriss entlassen. Am 25. Juni 2001 war die Oberschenkelmuskulatur noch hypotroph, die Fraktur zunehmend konsolidiert.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. Juli 2001 eine Entschädigung ab, da die Erkrankung nicht Folge eines Schulunfalles sei. Es habe sich um einen bewusst ausgeübten, sportüblichen Bewegungsablauf gehandelt, einen rechtsunerheblichen Gelegenheitsanlass für das Erkennbarwerden einer Krankheitsanlage.

Der Kläger wandte mit Widerspruch ein, der Knochenabriss am Knie könne nicht beim Abspringen eingetreten sein, sondern nur aufgrund eines unglücklichen Auftreffens auf den Boden. Eine Vorschädigung habe nicht vorgelegen.

Der Orthopäde Dr. B. berichtete am 11. Januar 2002, er habe den Kläger am 9. August 1994 wegen Schmerzen im linken Kniegelenk behandelt und einen Q-Winkel von weniger als 15Grad festgestellt. Die Röntgenaufnahmen beider Fersen hätten zur Diagnose: Apophysitis calcanei (schmerzhafte Schwellung des Achillessehnenansatzes) rechts geführt.

Im Gutachten vom 18. März 2002 führten die Chirurgen Prof. Dr. B. und Prof. Dr. H. aus, der Kläger gebe an, er wisse nicht, ob der Schmerz beim Absprung oder beim Aufkommen entstanden sei; er könne sich nur erinnern, dass er gefallen sei. Die Chirurgen erklärten, wenn die Epiphysenfugen (Wachstumsfugen) gesund gewesen wären, hätte eine erhebliche Krafteinwirkung stattfinden müssen, um sie zu schädigen. Nach einem derartigen Aufprall hätte eine Hautläsion festzustellen sein müssen. Eine Prellmarke oder ein Bluterguss seien aber im Durchgangsarztbericht nicht erwähnt. Unter Berücksichtigung der ersten Schilderung nach dem Unfallereignis und der Beschwerdesymptomatik von 1994 sei wahrscheinlich, dass die Verletzung beim Absprung im Sinne eines Missverhältnisses zwischen Belastung und Belastbarkeit infolge einer Wachstumsstörung zu Stande gekommen sei. Durch die Kraftanstrengung beim Absprung sei es zur Mehrbelastung im Bereich einer vorgeschädigten Epiphyse gekommen und somit zur Ausrissverletzung. Ein Unfallereignis im Sinne der Unfallversicherung habe nicht vorgelegen.

Der Kläger wandte ein, möglicherweise seien Prellmarken im Durchgangsarztbericht nicht erwähnt worden, weil das Hauptaugenmerk auf die gravierende Knieverletzung gerichtet gewesen sei. Eine Wachstumsstörung sei nicht nachgewiesen. Der konkrete Anlass für die Beschwerden von 1994 sei nie festgestellt worden. Der Kläger übersandte ein Schreiben des Orthopäden Prof. Dr. W. vom 23. August 2002: ein knöcherner Ausriss der Tuberositas tibiae sei sowohl beim Absprung als auch beim Aufkommen möglich.

Prof. Dr. H. und Prof. Dr. B. erklärten in der ergänzenden Stellungnahme vom 6. November 2002, entscheidend sei die Krafteinwirkung, denn auch ein Sturz führe bei einer gesunden Epiphyse nicht zu einer derartig schweren Schädigung; diese sei nur durch Wachstumsstörungen oder Vorschädigungen erklärbar.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2002 zurück.

Die Klage zum Sozialgericht München begründete der Kläger damit, es sprächen mehr...

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