Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Arbeitsweg. Abweg. Änderung der Zielrichtung. sachlicher Zusammenhang. Vollbeweis

 

Orientierungssatz

1. Für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht sein; es muss sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine - noch - versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde.

2. Bei Abwegen kommt die Möglichkeit einer versicherungsunschädlichen geringfügigen Unterbrechung nicht in Betracht. Auch während eines noch so kurzen Abwegs bleibt der Versicherungsschutz nicht erhalten.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.10.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Feststellung hat, dass der tödliche Unfall des Ehemanns der Klägerin am 18.02.1995 ein Arbeitsunfall war.

Der 1942 geborene Ehemann der Klägerin, H. G., war als selbständiger Unternehmer bei der Beklagten freiwillig versichert. Er betrieb ein Unternehmen für LKW-Aufbauten, Anhänger und Reparaturen in K.. Am 18.02.1995 befuhr er gegen 10.15 Uhr mit seinem PKW die alte Bundesstraße 8 von G. kommend in Richtung W.. Etwa auf der Höhe der Einfahrt L. in die neue B 8 kam er mit seinem PKW in einem spitzen Winkel nach rechts von der Fahrbahn ab, fuhr im Seitenstreifen und prallte nach ca. 50 m frontal mit der Fahrerseite an einen großen Baum. Durch die Wucht des Aufpralls erlitt er tödliche Verletzungen.

Mit Schreiben vom 19.02.1995 meldete die Klägerin den Unfall als Arbeitsunfall an und machte geltend, ihr Mann sei auf dem Weg zu einem Kunden verstorben. Im Unfallfragebogen wurde angegeben, der Verstorbene sei vermutlich bei der Firma F. in L. gewesen und habe anschließend zur Firma M. in R. fahren wollen, um an der Vorstellung des Modells Sprinter teilzunehmen.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht R. sowie eine Auskunft der Firma M. AG, R., vom 21.03.1995 bei und holte ein Gutachten des Prof. Dr. H., Institut für Pathologie der Universität R., ein, wonach eine Herzerkrankung oder andere Erkrankungen, die den Unfall verursacht haben könnten, durch die Obduktion ausgeschlossen werden konnten. Der von der Polizei befragte Zeuge E. T. sagte aus, dass der Verstorbene kurz vor der Einfahrt F. aus einer zügigen Geschwindigkeit heraus sein Fahrzeug abbremste und in einem Zug in der Westeinfahrt des Geländes wendete. Anschließend habe er sein Fahrzeug wieder stark beschleunigt und sei weiter in Richtung R. gefahren.

Auf Anfrage der Beklagten teilte die Firma M. F., Geflügelhof, mit Schreiben vom 14.12.1995 mit, dass in den Jahren 1981 bis 1987 eine Geschäftsverbindung mit der Firma G. bestanden habe. Ab 1988 seien keine geschäftlichen Beziehungen mehr gegeben gewesen.

Mit Bescheid vom 13.11.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Die anspruchsbegründenden Tatsachen seien nicht erwiesen. Es sei lediglich eine Vermutung, dass der Verstorbene im betrieblichen Interesse zur Firma F. unterwegs gewesen sei. Die Firma F. sei nachweislich nicht aufgesucht worden. Auch sei von dort auf Anfrage bestätigt worden, dass weder eine Terminsvereinbarung noch überhaupt eine Geschäftsverbindung bestanden habe. Selbst wenn der Versicherte die Firma M. in R. hätte aufsuchen wollen, müsse der Unfallversicherungsschutz verneint werden, weil sich die Unfallstelle nicht auf dem direkten Weg vom Betriebssitz in K. nach R. befunden habe.

In dem dagegen erhobenen Klageverfahren holte das Sozialgericht Regensburg (SG) ein unfallanalytisches Gutachten des Ingenieurs B., D., vom 18.08.1997 ein. Darin ist ausgeführt, dass ein technischer Mangel am Fahrzeug als Unfallursache nicht gegeben sei. Die Klägerin legte ein Gutachten des TÜV vom 07.11.1997 vor.

Mit Urteil vom 26.02.1998 wies das SG die Klage ab. Ein Arbeitsunfall sei nicht nachgewiesen. Die Klägerin trage nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast die Folgen der Beweislosigkeit. Es sei zudem davon auszugehen, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin in Selbsttötungsabsicht gehandelt habe.

Die dagegen eingelegte Berufung wies das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 21.10.1998 als unbegründet zurück. Der volle Beweis der Tatsache, dass der Versicherte sich im Unfallzeitpunkt auf einem betrieblich bedingten Weg befunden habe, sei nicht gegeben. Es sei lediglich bekannt, dass der Versicherte am Unfalltag nach R. zur M.-Niederlassung fahren wollte. Er habe zumindest einen Termin für den Unfalltag vormittags mit dem dort beschäftigten Herrn G. vereinbart gehabt. Über seine sonstigen Absichten beim Verlassen der Wohnung in K. am 18.02.1995 ließen sich indessen nur Vermutungen anstellen, wie sie die Klägerin auch geäußert habe.

Mit Schreiben vom 04.06.1999 beantragte die Klägerin eine Überprüfung der Bescheide...

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