Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung einer Rente nach dem ZRBG. Zwangsarbeitslager Novaky. fiktive Beitragszeit

 

Leitsatz (amtlich)

Beschäftigungszeiten im Zwangsarbeitslager Novaky erfüllen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer fiktiven Beitragszeit nach §§ 1 und 2 ZRBG.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 22. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente durch Anrechnung fiktiver Ghetto-Beitragszeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Die 1927 geborene Klägerin besitzt die slowakische Staatsangehörigkeit und hält sich an ihrem Wohnsitz in der Slowakei ständig auf. Dort war sie bis 1983 sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 26.06.2003 (eingegangen am 27.06.2003) beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese Altersrente mit der Begründung, sie sei Verfolgte im Sinne des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG). In dem am 17.11.2003 nachgereichten Fragebogen gab die Klägerin an, sie habe in der Zeit vom 16.11.1942 bis 28.05.1943 täglich acht bis zehn Stunden im Arbeitslager für Juden in N. gearbeitet und habe für ihre Beschäftigung "nur Lebensmittel" erhalten. Sie habe dort Handarbeiten verrichtet, Unterwäsche und Taschentücher genäht.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.11.2003 hat die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keine auf die Wartezeit anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt. Bei der geltend gemachten Zeit handele es sich nicht um eine Beschäftigung in einem Ghetto, sondern um einen Aufenthalt in einem Zwangsarbeitslager. Ferner habe sich das Lager N. nicht in einem vom Deutschen Reich eingegliederten oder besetzten Gebiet befunden. Mangels anrechenbarer Beitragszeiten scheide die Berücksichtigung der Verfolgungszeit als Ersatzzeit aus.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - unter Hinweis auf ein Gutachten des Historischen Armeeinstituts P. vom 13.01.2004 und auf eine Stellungnahme von Frau Dr. jur. K. Z., Institut des Staates und des Rechtes der Akademie der Wissenschaften, Slowakei, vom 01.02.2004 - im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei der Slowakei nicht um einen "verbündeten Staat" gehandelt habe. Ferner habe es sich bei dem Ghetto-Lager N. um kein klassisches Arbeitslager, sondern um ein Muster-Ghetto gehandelt, welches den Bewohnern "äußerst gute Lebensbedingungen ermöglicht" habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2004 hat die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Slowakei sei im maßgeblichen Zeitraum (vom 16.11.1942 bis 28.05.1943) jedenfalls nicht vom damaligen Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert gewesen. Dem zur Begründung des Widerspruchs vorgelegten Gutachten (des Historischen Armeeinstituts P.) könne nicht gefolgt werden, da es der in der historischen Forschung vorherrschenden Auffassung widerspreche.

Die hiergegen am 05.08.2004 zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobene Klage hat der Klägerbevollmächtigte damit begründet, dass der Klägerin die Tätigkeit im "Ghetto N." aufgrund eigener Bemühungen durch den Judenrat vermittelt worden sei. Als Entlohnung habe sie täglich drei Mahlzeiten und zusätzliche Lebensmittel erhalten. Ergänzend ist eine schriftliche Abhandlung zu den jüdischen Arbeitslagern (Ghettos) in N., S. und V. durch Dozent E. N. eingereicht worden.

Das SG hat - im Hinblick auf ausstehende Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts (Bayer.LSG) zur entscheidungserheblichen Rechtsfrage - auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 06.12.2005 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nach Rechtskraft einschlägiger Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bayer. LSG ist auf Antrag der Beklagten das Verfahren im August 2009 vorgeführt worden.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten hat die 7. Kammer des SG Landshut die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klägerin habe keinen Rentenanspruch, da sie die erforderliche Wartezeit als gesetzliche Voraussetzung des § 1248 Abs. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht erfülle. Nach § 1 Abs. 1 ZRBG könnten nur Beschäftigungszeiten in einem Gebiet, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, gegebenenfalls den Anspruch begründen. Die Slowakei sei von deutschen Truppen aber nicht besetzt gewesen; diese hätten die Slowakei vielmehr gegen den Partisanenaufstand unterstützt, die deutschstämmige Bevölkerung geschützt und militärstrategische Aufgaben erfüllt. Damit komme es nicht darauf an, ob sich die Klägerin in einem Ghetto oder in einem Lager aufgehalten habe. Der Gerichtsbescheid ist dem Klägerbevollmäch...

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