Entscheidungsstichwort (Thema)
keine Befugnis des Sozialleistungsträgers nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses über das Vorliegen der Pfändungsvoraussetzungen selbst zu entscheiden
Leitsatz (amtlich)
Der Sozialleistungsträger hat nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weder die Pflicht noch die Befugnis, über das Vorliegen der in § 54 Abs. 2, 3 SGB I genannten Pfändungsvoraussetzungen selbst zu entscheiden. Er hat also entsprechend der Anordnung grundsätzlich zu zahlen, es sei denn, die Forderung gegen ihn besteht nicht mehr, die Anordnung wird ausdrücklich aufgehoben oder die Pfändung ist nichtig.
Normenkette
ZPO § 836 Abs. 2; SGB I § 54 Abs. 2-3; SGB X § 107 Abs. 1, § 104; WoGG § 30 Abs. 4 S. 1
Tenor
I. Die Berufungen der Klägerin gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts München vom 3. März 2009 und vom 27. Januar 2011 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte eine sich aus der Bewilligung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ergebende Nachzahlung in Höhe von 4.227,19 DM an die Beigeladene wegen des Bezugs von Sozialhilfeleistungen bzw. pauschalierten Wohngelds für den Zeitraum 1. Mai 1995 bis 30. November 1996 ausgezahlt werden durfte oder der Klägerin auszukehren ist (dazu I.). Darüber hinaus ist strittig, ob die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte auf Auszahlung der ab 1. April 2007 zu Gunsten der Beigeladenen abgetrennten Beträge hat (dazu II.).
I.
Mit Antrag vom 25. Oktober 1993 begehrte die Klägerin Altersrente für Berufs- und Erwerbsunfähige, Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Altersrente für Frauen. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 27. Juli 1994 abgelehnt, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Über den Antrag auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen könne erst nach Abschluss des Klageverfahrens (Klage auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beim Sozialgericht Augsburg, S 5 AN 206/91) entschieden werden.
Der hiergegen von der Klägerin erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1994 zurückgewiesen.
Die beigeladene Landeshauptstadt München stellte mit Schreiben vom 19. September 1994 einen Erstattungsanspruch. Sie teilte mit, die Klägerin beziehe seit 1. August 1994 bis auf weiteres Hilfe zum Lebensunterhalt von monatlich 1.859,- DM.
Gegen den Widerspruchbescheid vom 12. Oktober 1994 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (S 5 An 186/94), das den Rechtsstreit zuständigkeitshalber an das Sozialgericht München (SG) verwies (Az. S 12 An 741/95).
Die Beigeladene bestätigte, dass die pflegebedürftige Tochter der Klägerin ab 1. September 1994 Pflegegeld erhält.
Mit Antrag vom 28. Juli 1995 begehrte die Klägerin erneut Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Daraufhin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 24. Oktober 1996 die beantragte Altersrente ab 1. Mai 1995. Für die Zeit vom 1. Mai 1995 bis 30. November 1996 errechnete sich eine Nachzahlung in Höhe von 24.807,31 DM. Die Nachzahlung wurde von der Beklagten vorläufig einbehalten.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit dem Begehren, die Nachzahlung teilweise auszuzahlen. Gegenüber dem Arbeitsamt München bestünden Forderungen der Klägerin. Die Sozialhilfe habe keine Rückzahlungsansprüche vereinbart.
Mit Schreiben vom 7. November 1996 bezifferte die Beigeladene ihren Erstattungsanspruch für den Zeitraum 1. Mai 1995 bis 30. November 1996 auf insgesamt 20.065,77 DM. Die Klägerin habe in diesem Zeitraum Sozialhilfe in Höhe von 6.116,77 DM und pauschaliertes Wohngeld in Höhe von 13.949,- DM erhalten.
Die Beklagte teilte der Beigeladenen mit, vom Rentennachzahlungsbetrag stünden für die Beigeladene 14.227,19 DM zur Verfügung. (6116,77 DM Sozialhilfe, 8.110,42 DM pauschaliertes Wohngeld).
Der Klägerin wurde mitgeteilt, dem Arbeitsamt M. seien für den Zeitraum 1. Mai 1995 bis 3. September 1996 und 18. September 1996 bis 22. Oktober 1996 10.580,12 DM, der Beigeladenen 14.227,19 DM aus der Nachzahlung überwiesen worden.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 18. November 1996. Sie erwarte nachvollziehbare und glaubwürdige Nachweise hinsichtlich der Auszahlungen von Arbeitsamt und Sozialhilfeverwaltung.
Mit Schreiben vom 22. November 1996 an das SG stellte die Klägerin ihre Klage dahingehend um, die Beklagte zu verurteilen, die Rentennachzahlung in Höhe von 24.807,31 DM an ihre Tochter auszuzahlen. Die Beklagte habe eine gesetzliche Pflicht, eine nachvollziehbare Auskunft zu erteilen. Dem sei die Beklagte nicht nachgekommen.
Sie bat erneut um Nachweise, dass die Beigeladene sowie das Arbeitsamt M. tatsächlich Leistungen erbracht haben. Auf Wohngeld bestehe ein Rechtsanspruch ohne eine Regresspflicht. Auch habe sie keine Erstattungserklärung abgegeben.
Die Beklagte wies auf § 30 Abs. 4 Wohngeldgesetz hin, wonach die Möglichke...