Inflationsausgleich für Grundsicherungsempfänger

Das LSG Niedersachsen hat eine Klage eines Grundsicherungsempfängers auf Inflationsausgleich abgewiesen. Begründung: Für einen solchen Ausgleichsanspruch existiere keine rechtliche Grundlage, auch nicht im Grundgesetz.

In einem Eilverfahren hat das LSG Niedersachsen einem Grundsicherungsempfänger eine Aufstockung der ihm gewährten existenzsichernden Leistungen entsprechend der inflationsbedingten Teuerung der Lebenshaltungskosten verweigert.

Grundsicherungsleistungen nach monatlichem Regelbedarf von 449 Euro

Der Antragsteller ist Bezieher einer geringen Altersrente. Ergänzend erhält er Grundsicherungsleistungen bezogen auf einen Regelbedarf von 449 Euro monatlich. Daneben werden ihm Zuschüsse zu den Unterkunfts- und Heizkosten gewährt.

Antragsteller fordert Erhöhung der Regelleistung auf 620 Euro

Angesichts der aktuell exorbitant gestiegenen Inflationsrate und der erheblichen Preissteigerungen für Nahrungsmittel empfand er den ihm zuerkannten Betrag als evident unzureichend. Da er sich nicht mehr in der Lage fühlte, seinen monatlichen Mindestbedarf zu decken, forderte er per Eilantrag beim Sozialgericht eine Erhöhung der Regelleistung auf monatlich 620 Euro.

Kein gesetzlicher Anspruch auf Inflationsausgleich

Weder beim SG noch zweitinstanzlich beim LSG hatte der Antragsteller mit seinem Ansinnen Erfolg. Die Gerichte wiesen darauf hin, dass die einschlägigen Sozialgesetze den Betroffenen kein Recht auf Gewährung eines Inflationsausgleichs zuerkennen. Ohne eine gesetzliche Rechtsgrundlage sei eine Anhebung des Regelsatzes seitens der Gerichte aber nicht möglich. Die Konkretisierung des grundsätzlich bestehenden Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt sei ausschließlich Aufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers und nicht Aufgabe der Justiz.

Kein Anspruch auf Inflationsausgleich aus GG

Auch unmittelbar aus dem Grundgesetz lässt sich nach Auffassung des LSG ein solcher Anspruch auf Inflationsausgleich nicht ableiten. Die Richter räumten zwar ein, dass die derzeit galoppierende Inflation gerade für Empfänger von Sozialleistungen eine erhebliche Belastung bedeute, die das Potenzial habe, dass in der Folge das Existenzminimum für die Betroffenen nicht mehr gesichert sei. Auf Zugang zu finanziellen Mitteln, die das Existenzminimum sichern, habe jeder Bürger nach der Rechtsprechung des BVerfG auch grundsätzlich Anspruch. Die Definition dessen, was an finanzieller Ausstattung für ein menschenwürdiges Leben notwendig ist, sei jedoch dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Es liege nicht in der Kompetenz der Gerichte, Aufgaben der Legislative zu übernehmen.

Aktueller Regelsatz ist nicht offensichtlich unzureichend

Nach Auffassung des LSG ist der gegenwärtige Regelsatz für Sozialhilfeleistungen trotz der hohen Inflation auch nicht offensichtlich unzureichend. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Bundesregierung die Gefahr unzureichender Leistungen bereits erkannt und auch reagiert habe. Entlastungen seien bereits gewährt worden bereits, etwa in Form des zeitlich befristeten 9 Euro Tickets, des Tankrabatts sowie in Form der Einmalzahlung an Grundsicherungsempfänger in Höhe von 200 Euro. Mit dem 3. Entlastungspaket werde die Regierung für weitere Entlastungen der Sozialhilfeempfänger sorgen.

Eilantrag abgewiesen

Mit dieser Begründung hat das LSG, im Eilverfahren den Eilantrag auf Erhöhung des Regelsatzes für Grundsicherung zurückgewiesen.

(LSG Niedersachsen, Beschluss v. 24.8.2022, L ( SO 56/22 B ER)

Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht  hatte sich zuletzt im Jahr 2019 mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen befasst und den Anspruch jedes Bürgers auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Ausfluss des Rechts auf Menschenwürde sowie des Sozialstaatsprinzips gemäß Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG betont (BVerfG, Urteil v. 5.11.2019, 1 BvL 7/16). Dieser Anspruch bedarf nach der Rechtsprechung des BVerfG allerdings der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber im Rahmen eines realitätsgerechten Verfahrens zur Ermittlung des notwendigen täglichen Bedarfs zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG, Urteil v. 9.2.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 u.a.). Mit dem jetzt von der Regierung beschlossenen 3. Entlastungspaket soll - neben anderen Modifikationen - der Regelsatz für das künftige Bürgergeld auf ca. 500 Euro angehoben werden.


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