Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsminderung. versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Facharbeiterstatus. angelernter Baggerfahrer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Feststellung des Leistungsfalls für eine Rente wegen Erwerbsminderung ist ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit im Sinne eines deutlichen Übergewichts an Gründen, die auf die jeweilige Tatsache hinweisen, bzw eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich.

2. Zur Verlängerung des für das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung erforderlichen Zeitraums.

3. Die Tätigkeit als Baggerfahrer zur Bestückung einer Müllsortieranlage stellt keine Facharbeitertätigkeit dar.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 1: Vgl LSG München vom 17.9.2009 - L 16 R 886/06.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1951 geborene Kläger machte nach eigenen Angaben von 1966 bis 1968 eine Lehre als Automechaniker - ohne Abschluss. Er arbeitete im Sicherheitsdienst und zuletzt bis November 1996 als Sortierer und Baggerfahrer bei der N. Gewerbemüll-Verwertung. Diese Tätigkeit endete, nachdem er im Februar 1996 einen Arbeitsunfall erlitten hatte. Anschließend erhielt er Krankengeld und bis 14. September 2003 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Bis 11. Februar 2004 war er ohne Leistungsbezug arbeitssuchend gemeldet. Derzeit bezieht er Hartz-IV-Leistungen.

Mit Bescheid vom 13. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 1998 hatte die Beklagte einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Nürnberg (Az.: S 12 RJ 706/98) hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 28. April 1999 zurückgenommen. Er war darauf hingewiesen worden, sich zur Erhaltung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen weiterhin regelmäßig beim Arbeitsamt zu melden, auch ohne Leistungsbezug.

Am 30. Juni 2005 beantragte der Kläger erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte verschiedene ärztliche Unterlagen ein und beauftragte den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. W. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. W. diagnostizierte in dem Gutachten vom 20. September 2005 einen Bluthochdruck bei metabolischem Syndrom, eine Alkoholkrankheit mit Hinweisen auf ein Anfallsleiden und rezidivierende Verstimmungszustände, einen Zustand nach kurzfristiger Gehirndurchblutungsstörung, ein Schulterarmsyndrom links sowie ein Hals-(HWS-) und Lendenwirbelsäulen-(LWS-)syndrom. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könnten noch sechs Stunden und mehr täglich ausgeübt werden. Die Tätigkeit als Baggerfahrer sei nur mehr unter drei Stunden zumutbar.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen liege keine volle Erwerbsminderung vor.

Im Widerspruchsverfahren berief sich der Kläger unter Bezugnahme auf ein ärztliches Attest des behandelnden Allgemeinarztes Dr. N. vom 5. Januar 2006 auf zwei erlittene Herzinfarkte sowie einen Schlaganfall. Der beratende Arzt des Beklagten vertrat in einer Stellungnahme vom 25. Januar 2006 die Ansicht, dass die hausärztlichen Einwände nicht ausreichten, von einer dauerhaften quantitativen Leistungsminderung auszugehen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2006 zurück. Es liege keine volle Erwerbsminderung vor. Mit Bescheid vom 10. Februar 2006 lehnte sie in Ergänzung des Bescheides vom 18. Oktober 2005 auch eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab. Es liege weder eine teilweise Erwerbsminderung noch eine Berufsunfähigkeit vor.

Der Kläger hat seinen Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Juni 2006 vor dem Sozialgericht Nürnberg weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Dr. N. vom Juni 2006 sowie des Orthopäden Dr. B. vom 26. Juni 2006 eingeholt und den Internisten Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat als Gesundheitsbeeinträchtigungen eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung mit leichter respiratorischer Insuffizienz, einen tablettenpflichtigen Diabetes mellitus, einen behandelten Bluthochdruck, eine Hiatusgleithernie (krankhafter Durchtritt von Anteilen des Magens durch das Zwerchfell), einen Rechtsschenkelblock am Herzen mit Neigung zu Rhythmusstörungen, einen Zustand nach mehrmaligen transitorisch-ischämischen Attacken bei beginnenden Veränderungen der extrakraniellen Gefäße, einen Zustand nach zerebralem Krampfanfall in Zusammenhang mit einem erhöhten Blutalkoholspiegel sowie eine Hirnatrophie festgestellt. Leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten noch acht Stunden täglich verrichtet...

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