Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Folgenbeseitigungsanspruch im Hinblick auf künftige Absenkungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
Leitsatz (amtlich)
Kein vorbeugender Folgenbeseitigungsanspruch möglich.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.10.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Folgenbeseitigungsanspruch (FBA) im Hinblick auf künftige Absenkungen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die Kläger beziehen seit August 2005 Alg II vom Beklagten. Nachdem zwischenzeitlich keine Einladungen mehr zu Vorspracheterminen erfolgt waren, begann der Beklagte ab März 2013 wieder damit, die Kläger zur Vorsprache im Jobcenter aufzufordern. Ebenso wurden verschiedene eine Eingliederungsvereinbarung ersetzende Verwaltungsakte (EG-VAe) erlassen. Wegen des Nichterscheinens bei Meldeterminen zwischen dem 27.03.2013 und 17.12.2015 sowie Verstößen gegen Verpflichtungen aus den EG-VAen mit dem Gültigkeitszeiträumen zwischen dem 11.12.2013 bis 04.05.2016 senkte der Beklagte das Alg II der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. - jeweils einzeln - mit Bescheiden vom 21.06.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 07.08.2013, 04.09.2013, 04.09.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 22.10.2013, 06.11.2013, 05.12.2013, 05.12.2013, 18.12.2013, 12.02.2014, 12.02.2014, 12,02,2014, 12.02.2014, 13.03.2014, 14.03.2014, 28.03.2014, 22.04.2014, 29.04.2014, 13.05.2014, 20.05.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 18.07.2014, 20.10.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 21.11.2014, 08.12.2014, 25.01.2015, 26.01.2015, 26.01.2015, 10.02.2015, 12.03.2015, 23.04.2015, 23.04.2015, 28.05.2015, 14.07.2015, 14.07.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 03.11.2015, 16.11.2015, 16.11.2015 und 22.12.2015 ab. Die Sanktionsbescheide sind Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 163/17.
In einem Widerspruchsschreiben vom 20.09.2015 beantragten die Kläger ua auch die einmalige Zahlung von 3.500 € als Schadenersatz. Die EG-VAe und die Meldeaufforderungen seien rechtswidrig bzw. nichtig, so dass die als Sanktionen einbehaltenen Leistungen zurück zu überweisen seien und ein Schadenersatz zu zahlen sei. Hierüber hat der Beklagte nach Aktenlage weder entschieden noch sich dazu geäußert. Der diesbezügliche FBA ist Gegenstand des Berufungsverfahrens L 11 AS 164/17.
Am 29.01.2016 haben die Kläger Klage zum SG erhoben und die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.03.2013 und künftiger, bis zum Abschluss des Verfahrens ergangener Meldeaufforderungen (Nr. 1), die Aufhebung sämtlicher seit dem 11.12.2013 bzw. künftiger, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, per Verwaltungsakt erlassener Eingliederungsvereinbarungen (Nr. 2), die Aufhebung sämtlicher seit dem 21.06.2013 und künftiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens erlassener Sanktionsbescheide (Nr. 3), die Zahlung von 3.500 € für den gesamten Zeitraum seit dem Beginn der Sanktionen im Jahr 2013 als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 4) und die weitere Zahlung von monatlich 135 € seit Januar 2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bzw. der vollständigen Einstellung der betreffenden Sanktionen als Folgenbeseitigungsanspruch (Nr. 5) beantragt. Nr. 5 des Klageantrages hat das SG als hier gegenständliches Klageverfahren - ohne den Erlass eines eigenständigen Trennungsbeschlusses - erfasst. Die übrigen Klagegegenstände wurden als Klageverfahren S 17 AS 77/16, S 17 AS 80/16, S 17 AS 81/16 und S 17 AS 82/16 geführt. Zur Klagebegründung haben die Kläger ua ausgeführt, es sei sehr schwierig, die aus den Sanktionen erwachsenen Schäden im Einzelnen zu benennen und zu belegen. Die Pauschale von 135 € ergebe sich aus Pauschalbetrag für den Schadenersatz iHv 3.500 € geteilt durch die Monate vom 01.07.2013 bis zur Einlegung des Widerspruchs im September 2015. Eine Verbindung der Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 29.06.2016 abgelehnt.
Mit Urteil vom 06.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Auslegung des klägerischen Begehrens habe ergeben, dass es den Klägern um einen Betrag iHv 135 € als FBA für den Zeitraum ab Klageerhebung gehe. Auch würde unter Auslegung des Antrages nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz nicht "Schadenersatz" sondern "Folgenbeseitigung" begehrt. Andernfalls hätte eine Verweisung an die ordentlichen Gerichte mit der Folge einer Gerichtskostenpflicht vorgenommen werden müssen. Die Klage sei unzulässig. Auf künftige Leistungen könne außer in den hier nicht vorliegenden Fällen der §§ 257 und 258 Zivilprozessordnung (ZPO) nur geklagt werden, wenn der Anspruch seine Grundlage in einem Rechtsverhältnis finde, dessen rechtserzeugende Tatsachen bereits eingetreten seien. Voraussetzung des FBA sei ein durch hoheitliches Handeln geschaffener, rechtswidriger Zustand. Dieser könne erst eintreten, wenn neue hoheitliche Maßnahmen eintreten würden. Zu...