Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Abrechnungsstreit. Wirksamkeit einer Aufrechnung. Minimalanforderungen an die Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung einer Krankenkasse. in Bayern bis 2010 gebräuchliche Pflegesatzvereinbarungen. zweistufige Fälligkeit. vierjährige Verjährung bei zu Unrecht gezahlter Vergütung. sozialgerichtliches Verfahren. Erhebung einer Widerklage
Leitsatz (amtlich)
1. Krankenhaus Abrechnungsstreit: Aufrechnungserklärungen der Krankenkassen müssen den Minimalanforderungen an die Bestimmtheit genügen. Andernfalls können die Wirkungen der Aufrechnung im Sinne des § 389 BGB nicht festgestellt werden.
2. Die in Bayern bis 2010 gebräuchlichen Pflegesatzvereinbarungen regeln eine zweitstufige Fälligkeit: Die Anspruchsfälligkeit und die Zahlungsfälligkeit. Für eine wirksame Aufrechnung ist neben der Anspruchsfälligkeit auch die Zahlungsfälligkeit notwendig.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung unterliegt einer vierjährigen Verjährung (vgl zuletzt BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 26/14 R = SozR 4-5560 § 17c Nr 3).
2. Die Erhebung einer Klage bzw Widerklage war nach § 15 der hier anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung 2007 bis zum 31.12.2011 möglich, da insoweit die Anspruchsfälligkeit ausreicht. Zahlungsfälligkeit ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 15 Ziff 1 S 3 der Pflegesatzvereinbarung für die Klageerhebung nicht notwendig.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 27. November 2013 wird zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.988,56 Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten C. in Höhe von 2.988,56 Euro.
Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patient C. wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 01.06.2007 bis 09.06.2007 behandelt. Die Klägerin berechnete für den Aufenthalt auf der Grundlage der DRG 901D insgesamt 5.144,16 Euro (Rechnung 3073765 vom 29.6.2007). Davon entfielen 51,21 Euro des auf einen Zuschlag für die integrierte Versorgung. Die Beklagte beglich mit Zahlungseingang 16.07.2007 den gesamten Rechnungsbetrag.
Zwischen den Beteiligten sind weder Notwendigkeit noch Dauer dieser Behandlung strittig. Die Beklagte monierte jedoch nach MDK-Stellungnahmen vom 29.02.2008 und vom 15.09.2008 die DRG-Kodierung und damit die Höhe der Rechnung. Die Klägerin hielt im nachfolgenden Schriftwechsel daran fest, dass ihre Kodierung zutreffend war. Mit Schreiben vom 11.05.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Aufenthalt des Versicherten auf der Grundlage der DRG I20E abzurechnen gewesen wäre. Demnach ergebe sich lediglich ein berechtigter Rechnungsbetrag in Höhe von 2.104,39 Euro. Sie habe die Rechnung vom 29.6.2007 entsprechend der nach ihrer Ansicht zutreffenden Kodierung gekürzt. Der Rechnungsbetrag betrage nun 2.104,39 Euro. Zugleich kündigte die Beklagte an: "Den Differenzbetrag werden wir mit der nächsten Zahlung in Abzug bringen". In welcher konkreten Höhe der Abzug stattfinden solle, wurde in diesem Schreiben ebenso wenig bestimmt, wie die konkrete Rechnung, bei welcher der Abzug stattfinden werde.
Mit Zahlungsavis vom 14.05.2010 teilte die Beklagte mit, sie werde die "unten aufgeführten Rechnungen" auf ein Konto der Klägerin überweisen und listete auf Rechnung Nr. 6008625 vom 02.03.2007 iHv 893,73 Euro, Rechnung Nr. 3108095 vom 29.04.2010 iHv 1.910,78 Euro, Rechnung Nr. 3108096 vom 29.04.2010 iHv 1.348,39 Euro und Rechnung Nr. 3108119 vom 30.04.2010 iHv 1.221,51 Euro sowie Rechnung Nr. 3073765 vom 29.06.2007 iHv 5.092,95 Euro. Als Gesamt-Summe wurde ein Betrag von 281,46 Euro festgesetzt; wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 38 der erstinstanzlichen Gerichtsakte Bezug genommen. Insgesamt veranlasste die Beklagte gemäß Kontoauszug der Klägerin Nr. 92 Blatt 19 (wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 39 der erstinstanzlichen Gerichtsakte Bezug genommen) am 17.05.2010 einen Zahlungseingang bei der Beklagten iHv 5.149,92 Euro, wobei der Zahlungsträger 2.104,39 Euro der hier strittigen Rechnung Nr. 3108061 sowie 3.045,53 Euro der Rechnung 3108061 vom 28.04.2010 zuordnet.
Daraufhin hat die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihre unstrittigen Forderungen nicht durch Aufrechnung erloschen seien. Es würde bereits an einer Aufrechnungslage fehlen, da die Gegenforderung der Beklagten wegen des stationären Aufenthalts des Patienten C. jedenfalls nicht fällig gewesen sei. Die mangelnde Fälligkeit ergebe sich aus § 15 der für das Jahr 2007 maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung (zu deren Inhalt wird auf Blatt 72 ff, insbesondere zu § 15 dieser Vereinbarung auf Blatt 82 der erstinstanzlichen Gerichtsakte Bezug genommen). Als ...