Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente: Nachweis einer Erwerbsminderung durch Befragung des Versicherten. schwere spezifische Leistungsbehinderung bei Analphabetismus
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Orientierungssatz
1. Der Nachweis einer Erwerbsminderung durch Befragung bzw. Testbatterien (hier: Fragebogen für Schmerzpatienten) ist nicht möglich.
2. Der nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus stellt keine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar (BSG, 9. Mai 2012, B 5 R 68/11 R).
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 08. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1960 geborene Klägerin, türkische Staatsangehörige mit Aufenthalt im Bundesgebiet seit Juni 1980, hat nach ihren eigenen Angaben keinen Beruf erlernt oder andere Qualifikationen erworben. Sie war von Juli 1994 bis April 2006 zunächst als Hilfsarbeiterin in einer Brot- und dann in einer Metallfabrik und zuletzt ab 2003 als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Im Versicherungsverlauf der Klägerin ist zuletzt im Juni 2006 eine Pflichtbeitragszeit verzeichnet, zuvor von November 2002 bis Juli 2004 und von September 2004 bis Oktober 2005.
Mit Antrag vom 8. Mai 2006 begehrte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten unter Bezugnahme auf beigefügte Atteste des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. L.: Dieser nannte bis dato ungeklärte diffuse Gelenkbeschwerden und einen erhöhten ANA-Wert, der auf eine rheumatische Erkrankung, eventuell eine Sarkoidose hinweise, ein CREST-Syndrom, Arthrosen im Kniegelenk und an der Wirbelsäule und ein Raynaud-Syndrom.
Die Beklagte holte nach Beiziehung weiterer Befundberichte ein Gutachten der Internistin Dr. Z. vom 22. Juni 2006 ein, die bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen feststellte:
1. Beginnendes CREST-Syndrom (leichte Sklerodermie mit Befall der Fingergelenke und Raynaud-Syndrom der Hände und Füße bei Kälteeinfluss)
2. Rezidivierende depressive Störung leichten Grades
3. Somatoforme Störung im Bereich der Bewegungs- und Kreislauforgane
4. Gonarthrose links
5. Periarthropathie der linken Schulter
6. Ausgeprägte Fußformveränderungen mit statischen Beschwerden
7. Cervikocephalgien mit Vertigo-Symptomatik
8. Fettleber ohne Enzymaktivität
9. Übergewicht mit Lipidstoffwechselstörung
10. Fingergelenksarthrosen (initiale Rizarthrose beidseits, chronisches Cervicalsyndrom, chronisches Thorakal- und Lumbalsyndrom bei Hyperkyphose und muskulärer Insuffizienz).
Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten 6 Stunden und mehr in geschlossenen Räumen und zu ebener Erde aus wechselnder Ausgangslage zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien eine ständige Beanspruchung der Hände, ständige Zwangshaltungen, Schichtdienst, Zeitdruck sowie Nässe- und Kälteeinfluss.
Der ebenfalls beauftragte Nervenarzt Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 24. Juli 2006 bei der Klägerin folgende Diagnosen:
1. Rezidivierende depressive Störung leichten Grades
2. Cervikocephalgien mit Vertigosymptomatik
3. Somatoforme Störungen im Bereich des Bewegungsapparates und der Kreislauforgane.
Er kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Reinigungskraft 6 Stunden und mehr leichte Tätigkeiten aus wechselnder Ausgangslage, zeitweise im Sitzen, in Tagschicht, ohne hohe Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, ohne Notwendigkeit, lesen und schreiben zu müssen, zu ebener Erde, ohne häufiges Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne Zwangshaltungen und erhöhter Unfallgefahr verrichten könne.
Die Orthopädin Dr. L. diagnostizierte schließlich in ihrem Gutachten vom 31. August 2006 bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen:
1. Beginnendes CREST-Syndrom mit Raynaud-Syndrom, Polyarthralgien, derzeit ohne Hautveränderungen, Teleangiektasien, viszerale Manifestation
2. Chronisches HWS-Syndrom
3. Chronisches BWS- und LWS-Syndrom bei Hyperkyphose und muskulärer Insuffizienz
4. Initiale Gonarthrose links
5. Initiale Rizarthrose beidseits
6. Durchgetretener Senk-Spreizfuß beidseits mit statischen Beschwerden.
Sie kam zu dem Ergebnis, dass Tätigkeiten als Reinigungskraft der Klägerin nicht mehr 3 Stunden täglich zuzumuten seien. Leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in geschlossenen Räumen und ohne körperliche Belastungen seien jedoch noch 6 Stunden und mehr täglich zumutbar.
Der Antrag wurde daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 19. September 2006 abgelehnt.
Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs legte die Klägerin neben weiteren Befundberichten ein Gutachten nach Aktenlage von Dr. B. von der Agentur für Arbeit A-Stadt vom 4. Juli 2006 vor, wonach aufgrund des CREST-Syndroms, der schwergradigen Depression, eines chronis...