Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Versicherungspflicht wegen Arbeitslosengeldbezug. kein "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" iSv § 335 Abs 1 S 2 SGB 3. nachträgliches Entfallen des Arbeitslosengeldbezugs wegen rückwirkender Rentenbewilligung. Beitragserstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen den Rentenversicherungsträger nach § 335 Abs 2 SGB 3. lex specialis
Orientierungssatz
Aus der Gesetzessystematik des § 335 SGB 3, der eine Folgebestimmung des § 157 Abs 3a AFG darstellt, kann nicht abgeleitet werden, dass über die Möglichkeit der Rückforderung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 335 Abs 2 (für die Pflegeversicherung iVm Abs 5) SGB 3 hinaus zusätzlich noch die Möglichkeit besteht, die Krankenkasse zur Rückzahlung der Beiträge nach § 335 Abs 1 S 3 SGB 3 in Anspruch zu nehmen. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB 5 gilt nicht als "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" im Sinne des § 335 Abs 1 S 2 SGB 3.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Forderung der von der Beklagten mit Bescheid vom 05.06.2009 geltend gemachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Versicherten H. F. für den Zeitraum vom 22.02.2006 bis 31.08.2006 in der Gesamthöhe von 2.520,80 €.
Der bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte H. F. bezog zunächst Krankengeld von der Beklagten bis 21.02.2006 und anschließend in der Zeit vom 22.02.2006 bis 31.08.2006 Arbeitslosengeld von der Klägerin. Mit Rentenbescheid der deutschen Rentenversicherung Westfalen vom 29.08.2006 wurde ihm befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung beginnend ab 01.07.2005 und befristet bis 31.12.2006 bewilligt. Der Versicherte wurde mit Schreiben der Klägerin vom 29.08.2006 dazu angehört, dass das Arbeitslosengeld ab 22.02.2006 zu Unrecht gezahlt wurde. Der Versicherte hat dazu Stellung genommen und mitgeteilt, er sei seiner Mitteilungspflicht nachgekommen und habe am 11.01.2006 der Agentur für Arbeit mitgeteilt, dass er seit dem 01.02.2006 rückwirkend eine Rente wegen voller Erwerbsminderung beziehe, dabei sei dort eine Kopie des Rentenbescheids gemacht worden. Von der Klägerin wurde daraufhin die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab 22.02.2006 aufgehoben und die Leistung vom Versicherten zurückgefordert. In der Akte der Klägerin findet sich eine Kassenanordnung zur Absetzung von KV/PV-Beiträgen vom 06.09.2006 sowie eine Beendigungsmitteilung vom 10.10.2006, dass die Forderung getilgt sei.
Die Beklagte hat im Rahmen der Beitragsüberwachung nach § 251 Abs. 5 SGB V im März 2009 eine Prüfung durchgeführt und aufgrund dieser Prüfung der Bundesagentur mitgeteilt, dass für den Versicherten H. F. Beiträge in Höhe von 2.520,80 € zu Unrecht im maschinellen Verfahren abgesetzt worden seien. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI seien Personen, die in der Zeit diese Leistungen nach dem SGB III beziehen, versicherungspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung. Dies gelte auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt habe, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Wenn einem nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherten Leistungsbezieher Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zugebilligt werde, habe die Bundesagentur für Arbeit gegen den Rentenversicherungsträger nach § 335 Abs. 2 SGB III Ersatzanspruch auch bezüglich der Beiträge, wenn und soweit wegen der Gewährung von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur gegen den Rentenversicherungsträger besteht. Nach Auffassung der AOK handle es sich bei § 335 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 SGB III um eine Regelung, die ausschließlich die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aufgrund des Leistungsbezugs nach dem SGB III bei der rückwirkenden Zubilligung von Rente oder Übergangsgeld regelt. Eine Verrechnung der Beiträge nach § 335 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 SGB III komme nicht in Frage, da die Versicherungspflicht der Bezieher einer Leistung nach dem SGB III vorrangig vor der Versicherungspflicht als Bezieher einer Rente (§ 5 Abs. 8 SGB V) bzw. dem Fortbestehen der Versicherung wegen Bezugs von Übergangsgeld (§ 192 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) ist. Damit fehle es an dem geforderten weiteren Krankenversicherungsverhältnis. In einer Entscheidung zur früheren Bestimmung des § 157 Abs. 4 AFG (BSG Urteil vom 31.10.1991 Az.: 7 RAr 46/90) sei das BSG zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bundesagentur sich hinsichtlich ihres Anspruchs auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge ausschließlich an den Rentenversicherungsträger und nicht auch an den Leistungsbezieher zu halten hat. Die Bestimmung...