Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschiedenenwitwenrente. frühere Ehefrau. geschiedener Ehegatte. Wiederheirat noch zu Lebzeiten des geschiedenen Ehegatten. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehegatten, die zu Lebzeiten ihres geschiedenen Ehegatten eine neue Ehe eingegangen sind, haben nach Auflösung der weiteren Ehe keinen Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente.
Orientierungssatz
1. Zum Leitsatz: Anschluss an BSG vom 20.10.2004 - B 5 RJ 39/03 R = SozR 4-2600 § 243 Nr 2.
2. Die Differenzierung zwischen geschiedenen Frauen, die sich nicht wieder verheiratet haben, und solchen, die noch zu Lebzeiten ihres Ehegatten wieder geheiratet haben, ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, weil für diese Differenzierung sachliche Gründe bestehen (vgl BVerfG vom 8.7.1987 - 1 BvR 568/87 = SozR 2200 § 1265 Nr 85).
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 6. März 2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Geschiedenenwitwenrente.
Die im Februar 1937 geborene Klägerin ehelichte nach ihren eigenen Angaben im Dezember 1955 ihren ersten Ehemann F. W., der im Mai 1957 tödlich verunglückte. Im Mai 1960 heiratete sie ihren zweiten Ehemann G. L. Die Ehe wurde ausweislich des Urteils des Landgerichts H. vom Juli 1962, rechtskräftig geworden am selben Tag, geschieden. Im Juli 1965 ehelichte sie ihren dritten Ehemann, den im Januar 1939 geborenen Versicherten H. S. (Versicherter). Die Ehe wurde mit Urteil des Landgerichts M.im Juni 1975 rechtskräftig geworden am selben Tag, geschieden. Der Versicherte ist im November 2007 verstorben.
Im August 1987 ging die Klägerin eine weitere Ehe ein. Ihr vierter Ehemann W. A. ist im Februar 2014 verstorben.
Mit Antrag vom 17. Februar 2014 begehrte die Klägerin Witwenrente an den geschiedenen Ehegatten nach dem Versicherten. Mit angefochtenem Bescheid vom 10. März 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine frühere Ehefrau habe aus der Versicherung ihres früheren Ehemanns keinen Anspruch auf Rente nach § 243 SGB VI, wenn sie nach Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Aufhebung wieder geheiratet habe und diese Ehe ebenfalls durch Tod, Scheidung oder Aufhebung aufgelöst sei. Nach § 67 Ehegesetz in der Fassung bis 30. Juni 1977 (Ehegesetz) erlösche die Unterhaltspflicht mit der Wiederverheiratung der Berechtigten; sie lebe auch nach Auflösung der zweiten Ehe nicht wieder auf.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, in § 243 SGB VI stehe, dass eine frühere Ehefrau einen Anspruch auf Rente habe, wenn sie nach Auflösung der Ehe durch Scheidung oder Aufhebung wieder geheiratet habe und diese Ehe ebenfalls durch Tod, Scheidung oder Aufhebung aufgelöst sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 2014 zurückgewiesen. Die im August 1987 eingegangene neue Ehe sei noch zu Lebzeiten des Versicherten geschlossen worden. Damit erlösche die Unterhaltspflicht nach § 67 Ehegesetz und lebe auch nicht wieder auf. Damit seien die Voraussetzungen für einen Rentenbezug nicht erfüllt.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben und vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, warum ihr Anspruch auf Rente nach § 243 SGB VI erloschen sei, weil sie nicht den Tod ihres zweiten Ehegatten abgewartet, sondern noch zu dessen Lebzeiten wieder geheiratet habe. Einen Versorgungsausgleich habe es bei Scheidungen vor dem 1. Juli 1977 nicht gegeben. Deswegen gebe es einen Anspruch auf Rente nach dem vorletzten Ehegatten. Darüber hinaus wies sie auf ihre schlechten finanziellen Verhältnisse hin.
Mit Urteil vom 6. März 2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Witwenrente nach § 243 Abs. 1, 2 und 3 SGB VI bestehe nicht, da die Klägerin nach der Scheidung vom zweiten Ehemann eine dritte Ehe eingegangen sei. § 243 Abs. 4 SGB VI wäre nur dann einschlägig, wenn die Klägerin erst nach dem Tod des zweiten Ehemanns wieder geheiratet hätte. Sie sei jedoch bereits zu Lebzeiten des zweiten Ehemanns, von dem sie geschieden worden sei, wieder eine neue Ehe eingegangen. Der Ausschluss von Ehegatten, die zu Lebzeiten ihres geschiedenen Ehegatten wieder geheiratet haben, werde durch die Entstehungsgeschichte des § 243 SGB VI bestätigt und sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben am Existenzminimum lebe.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und auf § 243 Abs. 4 SGB VI verwiesen. Daraus sei zu entnehmen, dass auch Ehegatten einen Witwenrentenanspruch hätten, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt sei. Es liege eine Ungleichbehandlung vor. Es sei unklar, ob ihr Anspruch auf diese Witwenrente zustehe, wenn sie ihren letzten Ehemann nicht geheiratet hätte, sondern mit ihm unverheiratet zusammen gewesen wäre. Lebenspartnerschaften...