Verfahrensgang

SG Kassel (Urteil vom 15.12.1994; Aktenzeichen S-2/An-672/92)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Dezember 1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des W. A. (Versicherter) streitig.

Die am 25. Mai 1925 geborene Klägerin war in erster Ehe, mit einem Herrn R. verheiratet. Nach Scheidung dieser Ehe heiratete die Klägerin am 1. Dezember 1949 den am 4. Oktober 1915 geborenen und am 19. August 1987 verstorbenen Versicherten. Aus der Ehe mit dem Versicherten ist die am 20. Juni 1950 geborene Tochter Angela hervorgegangen. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde durch ein seit dem 7. Januar 1960 rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Wuppertal (2 R 342/59) geschieden. Am 2. März 1960 heiratete die Klägerin den Opernmusiker F. H.. Durch Urteil des Landgerichts Kassel vom 8. Juni 1967 (4 R 127/66), rechtskräftig seit dem 8. Juni 1967, wurde diese dritte Ehe der Klägerin aus dem Verschulden des Beklagten F. H. geschieden. Von diesem erhielt die Klägerin bis zum Abschluß ihrer Ausbildung als Lehrerin Unterhalt. Vom 18. Oktober 1971 bis zum 31. Januar 1989 war die Klägerin als angestellte Lehrerin berufstätig. Sie bezieht ab 1. Februar 1989 Altersruhegeld von der Beklagten.

Am 10. April 1991 beantragte die Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des W. A. nach § 42 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Durch Bescheid vom 15. Mai 1991 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung sei als frühere Ehefrau im Sinne des § 42 AVG nur die geschiedene Frau anzusehen, die sich zu Lebzeiten des Versicherten nicht wieder verheiratet habe. Die Klägerin habe am 2. März 1960 vor dem Tod des Versicherten wieder geheiratet und sei zur Zeit des Versicherungsfalls nicht mehr im Sinne des Gesetzes seine frühere Ehefrau gewesen. Im übrigen habe der Versicherte die Wartezeit nicht erfüllt. Es seien nur 30 Monate Beitragszeit zurückgelegt. Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 1991 mit der Begründung zurückgewiesen, den Status einer früheren Ehefrau habe nur diejenige Antragstellerin, die zu Lebzeiten des Versicherten unverheiratet geblieben sei. Sei die Antragstellerin nach Beendigung ihrer Ehe mit dem Versicherten, aber noch vor seinem Tode eine neue Ehe eingegangen, so sei sie rentenrechtlich gesehen nicht mehr die frühere Ehefrau des verstorbenen Versicherten, sondern vielmehr die Ehefrau bzw. für den Fall der Auflösung der zweiten Ehe die frühere Ehefrau des zweiten Ehemannes. Das Bundessozialgericht leite diese Rechtsfolge aus dem Sinn und Zweck des § 42 AVG (Unterhaltsersatzfunktion) dieser Rente ab. Die hiergegen vor dem Sozialgericht Kassel erhobene Klage nahm die Klägerin am 14. Januar 1992 zurück.

Mit Schreiben vom 9. August 1991 beantragte die Klägerin die Gewährung von Hinterbliebenenrente nach § 243 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) aus der Versicherung des W. A. 1 ab 1. Januar 1992.

Durch Bescheid vom 11. Februar 1992 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Vorschrift des § 243 SGB VI ändere nichts an dem Status einer früheren Ehefrau. Da die Klägerin nach Beendigung ihrer Ehe mit dem Versicherten, aber noch vor seinem Tode eine neue Ehe eingegangen sei, sei sie rentenrechtlich gesehen nicht mehr die frühere Ehefrau des verstorbenen Versicherten, sondern vielmehr die Ehefrau – bzw. für den Fall der Auflösung der zweiten Ehe – die frühere Ehefrau des zweiten Ehemannes.

Durch Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1992 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des am 19. August 1987 verstorbenen W. A. könne auch nach § 243 SGB VI nicht entstehen. Die seit dem 1. Januar 1992 gültige Anspruchsvorschrift stelle nunmehr schon durch ihren Wortlaut klar, daß bei Ehen, die vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden seien, nur die Hinterbliebenen einen Rentenanspruch hätten, die nicht wieder geheiratet haben (§ 243 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI).

Die Klägerin sei nicht die frühere Ehefrau im Sinne des § 42 AVG, § 243 SGB VI. Sie sei noch zu Lebzeiten ihres ersten Ehemannes eine neue Ehe eingegangen und habe damit ihre nachwirkenden Rechte aus der ersten Ehe verloren. Mit der Scheidung der ersten Ehe sei das familienrechtliche Band mit dem Versicherten gelöst. Die guter- und erbrechtlichen Beziehungen aus der ersten Ehe seien entfallen, als die Klägerin ihre zweite Ehe eingegangen sei und damit ihre Versorgung auf die zweite Ehe abgestellt habe.

Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, auch die Geschiedenen, die zu Lebzeiten des ersten Mannes wieder geheiratet hätten, hätte...

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