Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Genehmigungsfiktion für eine ambulante Kunsttherapie

 

Leitsatz (amtlich)

Verfassungsrecht, insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz, steht der Auslegung des § 13 Abs. 3a SGB V nicht entgegen, wonach die Genehmigungsfiktion nur einen Kostenerstattungsanspruch begründet.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 12.05.2020 insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Sachleistung Kunsttherapie bis zur einer Gesamtstundenzahl von 52 Stunden mit einer Stundenfrequenz von 1 - 2 monatlich in Form von Doppelstunden als ambulante Krankenbehandlungsmaßnahme verurteilt wurde. Die Klage auf Versorgung mit Kunsttherapie als Sachleistung wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in der Berufung nicht zu erstatten, in der ersten Instanz trägt die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1/7.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Versorgung der Klägerin mit einer Kunsttherapie als ambulante psychotherapeutische Maßnahme.

Die 1954 geborene Klägerin ist Mitglied bei der Beklagten.

1. Die Klägerin beantragte mit E-Mail vom 06.08.2018 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Kunsttherapie. Sie habe massive psychische Probleme und im Jahr 2016 im Rahmen einer stationären Reha-Maßnahme einen entscheidenden Schritt bei einer Kunsttherapeutin machen können. Sie müsse die Behandlung nun weiterführen. Mit ihrem Antrag übersandte die Klägerin der Beklagten ergänzend einen verschlossenen Umschlag zur Vorlage beim MDK. Diesen Umschlag leitete die Beklagte am 07.08.2018 ungeöffnet zusammen mit dem Kostenübernahmeantrag der Klägerin an MDK mit der Bitte um Prüfung weiter, ob der Therapeut fachlich befähigt ist und die Leistungsvoraussetzungen der Psychotherapie-Vereinbarung/-Richtlinien vorliegen. Am 31.08.2018 teilte der MDK der Beklagten mit, dass zur abschließenden Beurteilung der Anfrage Angaben zur Therapeutin mit Qualifikationsnachweisen, zur Kunsttherapie sowie zum Umfang der beantragten Therapie benötigt würden. Mit Schreiben vom 17.09.2018 forderte die Beklagte bei der Klägerin die vom MDK erbetenen Unterlagen an. Mit Begleitschreiben vom 27.09.2018 übersandte die Klägerin der Beklagten die erbetenen Unterlagen, insbesondere einen Ausbildungsnachweis der Kunsttherapeutin E und die Stundenempfehlung des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie D (empfohlene Gesamtanzahl von zunächst 60 Stunden mit einer Stundenfrequenz von 1 - 2 Mal monatlich in Form von Doppelstunden). Diese Unterlagen leitete die Beklagte am 24.10.2018 an den MDK weiter und erteilte diesem am 22.01.2019 einen neuen Auftrag zur Bearbeitung. In dem nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 30.01.2019 wird die Kostenübernahme für die beantragte Kunsttherapie nicht empfohlen. Den vorliegenden Unterlagen sei zu entnehmen, dass die Therapeutin die formalen Voraussetzungen zur Durchführung der ambulanten Psychotherapie nicht erfülle. Es lägen keine Unterlagen vor, aus denen hervorgehe, dass es sich bei der Therapeutin um eine approbierte psychologische Psychotherapeutin oder eine ärztliche Psychotherapeutin handele. Eine Ausbildung in einem Richtlinienverfahren liege nicht vor. Die Kunsttherapie sei zudem nicht Bestandteil der Psychotherapie-Richtlinie. Mit Bescheid vom 08.02.2019 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme ab und folgte dabei dem MDK.

Im Widerspruchsverfahren argumentierte die Klägerin, es sei nicht nachvollziehbar, dass stationär angebotene Leistungen ambulant nicht bewilligt werden. Ärztlicherseits werde die Therapie als medizinisch dringend indiziert gesehen. Der von der Beklagten erneut beauftragte MDK bestätigte nach Vorlage des Entlassungsberichts der stationären Reha-Maßnahme in der Klinik B und eines ärztlichen Befundberichts das Ergebnis des Erstgutachtens. Mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

2. Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und zur Begründung erneut das antragsbefürwortende Schreiben des D vorgelegt und vorgetragen, es bestehe ein Anspruch auf Kostenübernahme der beantragten Kunsttherapie, weil diese aus medizinischen Gründen notwendig sei. Im Verwaltungsverfahren sei die gesundheitliche Situation der Klägerin nicht vollständig berücksichtigt worden.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Therapie sei ein neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) ohne Votum des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Eine Genehmigungsfiktion sei nicht eingetreten, da die Leistung offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liege.

Das SG hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.05.2020 stattgeben und die Beklagte unter Bezugnahme auf die zu diesem Zeitpunkt noch geltenden Rechtsprechung des BSG aufgrund Eintritts der Genehmigungsfiktion zur Kostenerstattung selbstbeschaffter Leistungen der Kunsttherapeutin D1 in Höhe von 320 € ver...

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