Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH. Sperrminorität. Rechtsposition. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Maßgeblichkeit von Satzung bzw Gesellschaftsvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht von der Gesellschaft persönlich abhängig, wenn er aufgrund seiner Gesellschafterrechte einen so maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft hat, dass er jeden ihm nicht genehmen Beschluss verhindern kann.
2. Die für eine Sperrminorität maßgebliche Rechtsposition muss auf Satzung bzw Gesellschaftsvertrag beruhen, der Anstellungsvertrag ist insoweit nicht maßgeblich.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 5. August 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass der Kläger in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen als Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 6. September 2010 bis zum 19. April 2012 nicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig war.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen wegen Vorliegens einer Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) in der Zeit von September 2010 bis April 2012 versicherungspflichtig war.
Die Beigeladene betreibt ein 2010 gegründetes Unternehmen zur Planung, Herstellung und zum Vertrieb von vorwiegend robotergestützten Automatisierungslösungen und Komponenten sowie dazu gehörige Service- und Dienstleistungen. Sie wurde im April 2010 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von 36.000 € gegründet. Zwei Drittel der Geschäftsanteile (24.000 €) übernahm zunächst Herr F. S. (S), der auch zum Geschäftsführer bestellt wurde, das restliche Drittel die S. Verwaltungs-GmbH. Am 01.06.2010 veräußerte S an den Kläger Geschäftsanteile in Höhe von 12.000 €, so dass nunmehr S, der Kläger und die S. Verwaltungs-GmbH jeweils mit 33,33 % an der Gesellschaft beteiligt waren. Mit Wirkung ab 20.04.2012 ist die S. Verwaltungs-GmbH aus der Gesellschaft ausgeschieden. Seither verfügen S und der Kläger jeweils über 50 % der Geschäftsanteile; sie vereinbarten einen neuen Gesellschaftsvertrag.
§ 10 der Satzung der Beigeladenen vom 16.04.2010 (Anlage zur notariellen Errichtungsurkunde der Beigeladenen; im Folgenden: Satzung) regelt die Geschäftsführung, § 13 der Satzung die Modalitäten der Gesellschafterbeschlüsse. Die Geschäftsführer sind nach § 10 Nr. 1 verpflichtet, die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit dem Gesetz, dem Gesellschaftsvertrag in seiner jeweils gültigen Fassung sowie den Beschlüssen der Gesellschafter zu führen. Gemäß § 10 Nr. 2 der Satzung bedürfen die Geschäftsführer der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen und für alle Geschäfte, welche die Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss für zustimmungsbedürftig erklären. § 10 Nr. 3 Buchst. a bis v enthält eine Liste von Geschäften, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen. Gemäß § 10 Nr. 4 der Satzung kann der Katalog des § 10 Nr. 3 mit einer Stimmenmehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen auch einzelnen Geschäftsführern gegenüber erweitert oder beschränkt werden. Gesellschafterbeschlüsse werden nach § 13 Nr. 3 der Satzung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Gemäß § 13 Nr. 4 werden folgende Beschlüsse der Gesellschafter mit einer Stimmenmehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht zwingend vom Gesetz eine größere Mehrheit gefordert wird:
a) die Erhöhung oder Herabsetzung des Stammkapitals;
b) die Auflösung der Gesellschaft;
c) die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;
d) die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;
e) die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat;
f) die Beschlüsse gemäß § 10 Nr. 3 und § 10 Nr. 4.
Mit Wirkung ab 06.09.2010 wurde der Kläger zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Ebenfalls am 06.09.2010 schlossen die Beigeladene und der Kläger einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag auf unbestimmte Dauer, der u.a. folgende Regelungen enthält: Der Vertrag ist kündbar, wobei die Gesellschaft nach einer Kündigung, gleich durch welche Vertragspartei, jederzeit befugt ist, den Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen (§ 2). Der Geschäftsführer führt die Geschäfte nach Maßgabe de...