Entscheidungsstichwort (Thema)
Blindengeld: Durchführung der Blindheitsbegutachtung. Berücksichtigungsfähigkeit von Plausibilitätskontrollen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Blindheitsbegutachtung können im Rahmen von Plausibilitätskontrollen unter anderem auch Verhaltensbeobachtungen berücksichtigt werden (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats vom 31.01.2013, Az. L 15 BL 6/07).
2. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Verhaltensbeobachtung grundsätzlich nur eine grobe Einschätzung des Sehvermögens erlaubt. Sie ist nicht geeignet, zwischen einer hochgradigen Sehbehinderung und einer Blindheit im Sinne des BayBlindG mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu differenzieren.
Orientierungssatz
Einzelfall zur Prüfung des Vorliegens einer hochgradigen Sehbehinderung (hier: Sehbehinderung verneint).
Tenor
I. Auf die Berufung wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Dezember 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) hat.
Für die 1968 geborene Klägerin sind ein GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G, H und RF festgestellt (Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 28.11.2006). Dabei ist ein Einzel-GdB von 100 für die Gesundheitsstörung Rosazea mit Hornhaut- und Lidbefall, Sehminderung beidseits festgesetzt worden.
Am 17.10.2011 stellte die Klägerin beim Beklagten Antrag auf Blindengeld. Der Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes Dr. R. vom 02.11.2011 ein und wertete einen Bericht der Augenklinik des Universitätsklinikums B-Stadt, Prof. Dr. L., vom 26.09.2011 aus.
Mit Bescheid vom 30.11.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da die Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nicht vorlägen; nach den vorliegenden Unterlagen betrage die Sehschärfe der Klägerin auf beiden Augen 0,12 (6/50). Gesichtsfeldeinschränkungen seien nicht nachgewiesen und nicht in einem anspruchsbegründenden Ausmaß wahrscheinlich.
Hiergegen erhob die Klägerin am 09.12.2011 Widerspruch. Diesen begründete sie damit, dass sie seit ca. drei Jahren an Diabetes erkrankt sei und nicht wisse, wie sich dieser auf ihre Augen auswirke. Auch habe sie in letzter Zeit bemerkt, dass sich ihr restliches Sehvermögen nochmals verschlechtert habe. Weitere Ermittlungen führte der Beklagte soweit ersichtlich nicht durch. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2012 wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Fall der Klägerin sei der Visuswert von 0,12 maßgeblich. Bei einer Sehschärfe von mehr als 0,1 wie vorliegend sei Blindheit nur dann anzunehmen, wenn das Gesichtsfeld eingeengt sei und die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5 Grad vom Zentrum entfernt sei, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50 Grad unberücksichtigt blieben. Hinweise auf eine Gesichtsfeldeinengung über 5 Grad würden aus den vorliegenden Unterlagen, so der Beklagte, nicht hervorgehen.
Am 26.03.2012 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass ihre Sehschärfe auf dem rechten Auge 1/40 und auf dem linken Auge 1/24 betrage; somit liege der Visus - so die Klägerin [fälschlich, d. Verf.] - unter einer Sehstärke von 1/50.
Das SG hat einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes C. vom 30.06.2012 und einen Bericht des Bundeswehrkrankenhauses B-Stadt, Klinik für Augenheilkunde, Prof. Dr. G., vom 25.06.2012 eingeholt. Der Augenarzt C. hat einen Visus von 1/35 rechts und 1/50 links festgehalten. Es bestünden beidseits konzentrische Gesichtsfeldeinschränkungen bis auf 20 Grad. Als Diagnosen hat der Arzt Hornhautnarben bei rezidivierender Rosazea-Keratitis beidseits mit erheblicher Visusverschlechterung festgestellt.
Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch ein ophthalmologisches Sachverständigengutachten von Dr. K.. Die Fachärztin hat in ihrem Gutachten vom 23.08.2012 festgestellt, dass die Klägerin seit 10 Jahren an Entzündungen der vorderen Augenabschnitte erkrankt sei, die nach Angaben der Klägerin seit 2007 so zugenommen hätten, dass sich diese in fremder Umgebung nicht mehr bewegen, nicht mehr zusammenhängend lesen und ihren Haushalt nicht mehr selbst versorgen könne; in ihrem Beruf als Frisörin könne die Klägerin schon seit mehreren Jahren nicht mehr tätig sein. Die Erkrankung verlaufe schubweise.
Als Visuswerte hat die Sachverständige nur rechts 0,5/50 angegeben; Gläser würden nicht bessern. Auf Grund der Medientrübung sei eine objektive Refraktion nicht durchführbar. Bei der kinetischen Goldmannperimetrie (Reizmarke III/4) hätten sich folgende Werte ergeben:
- Rechtes Auge: ein etwas größeres Gesichtsfeld als 5 Grad, nasal oben, nasal unten und temporal.
- Linkes Auge: Hier seien die Angaben sehr unregelmäßig, da die Lichtmarke an vielen Stellen gar nicht erkannt worden sei; das ...