Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Voraussetzung der Anerkennung eines Bandscheibenvorfalls als Berufskrankheit. Beurteilung einer monosegmentalen Schädigung als Anzeichen einer berufsbedingten Schädigung
Leitsatz (amtlich)
Zum Fehlen der medizinischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung bei monosegmentalem Bandscheibenschaden.
Orientierungssatz
Bei einer monosegmentalen Schädigung der Wirbelsäule (hier: Bandscheibenvorfall L5/S1), in deren Umgebung keine über einen altersgerechten Zustand hinausgehenden Veränderungen, insbesondere keine Begleitspondylose, festzustellen sind, kommt die Annahme einer Berufskrankheit in der Regel nicht in Betracht.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 17. November 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Folge einer Berufskrankheit (BK) nach den Nrn. 2108 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hat.
Der 1961 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 03.11.2007 die Feststellung einer BK wegen eines Wirbelsäulensyndroms. Er habe, erstmals seit dem Jahre 1999, laufend Wirbelsäulenbeschwerden im Bereich Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule (HWS, BWS und LWS).
Der Kläger war vom 26.06.1978 bis 08.04.1988 als Berufssoldat in der Britischen Armee tätig, vom 20.02.bis 20.03.1988 als Gastronom, vom 01.05.1988 bis 05.09.1988 im Hotel B. als Aushilfskraft, vom 10.10.1989 bis 24.06.1995 als Zusteller bei U. (U.) Deutschland, vom 01.01.1995 bis 30.06.1995 als LKW-Fahrer bei der Spedition G. und vom 03.02.1997 bis 13.11.1998 als Kommissionierer bei der Fa. E. beschäftigt, mit Ausnahme einer Arbeitsunfähigkeit vom 25.02.1997 bis 11.10.1998 (AU nicht wegen Wirbelsäulenbeschwerden).
Die Beschäftigung bei der Fa. E. kündigte der Kläger mit Schreiben vom 15.10.1998 aus gesundheitlichen Gründen zum 13.11.1998 mit Verweis auf ein ärztliches Attest des Klinikums K., Abteilung Kardiologie vom 06.05.1998. Darin wurden ein persistierender Ductus arteriosus, eine pulmonale Hypertonie und eine erhebliche linksventrikuläre Hypertrophie des Herzens beschrieben. Seitdem war der Kläger nicht mehr erwerbstätig.
Auf die Angaben des Klägers zu wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten im Hotel B., für U., bei der Fa. E. und in der Britischen Armee, dort insbesondere als Fahrer, wird verwiesen.
Die Beklagte holte Befundberichte bzw. ärztliche Unterlagen der Orthopäden Dres. S. und S., Dr. H. und Dr. S., der Radiologen Dr. V. und M. vom 29.03.2008, des Neurochirurgen Dr. A. vom 30.09.2003 sowie der Allgemeinärztin Dr. L. vom 11.03.2008 ein.
Nach Arztbrief von Dr. S. vom 17.08.2003 stellte sich der Kläger erstmals am 25. 03.1999 wegen Rückenschmerzen der gesamten Wirbelsäule, vornehmlich im LWS-Bereich, vor, im weiteren Verlauf auch wegen Beschwerden im HWS- und BWS-Bereich. Röntgenbilder im Mai 2002 zeigten eine leichte rechtskonvexe Torsionsskoliose mit Osteochondrosen und Verschmälerung des Zwischenwirbelraums im Segment L3/4 und L5/S1 sowie eine persistierende Apophyse (Knochenfortsatz) vorne oben beim 4. Lendenwirbelkörper (LWK).
Im MRT-Befund der LWS vom 23.09.2003 wurde ein sehr flacher linksmediolateraler Bandscheibenvorfall L5/S1 ohne erkennbare Wurzelkompression beschrieben sowie eine leichte zirkuläre Protrusion L3/4 mit Limbus vertebrae (Sonderform des Schmorl‚schen Knötchens), Schmorl‚sche Knötchen im thorakolumbalem Übergang sowie im Bereich der Grundplatte von BWK 11. Dr. A. empfahl angesichts dieses MRT, das neben der Bandscheibenprotrusion L5/S1 auch eine deutliche Hypertrophie der Facettengelenke und Spondylarthrosen zeige, eine Facettentestinfiltration.
Im MRT-Befund vom 14.04.2008 wurde ein mediolateraler linksseitiger Bandscheibenvorfall mit Verdacht auf Beteiligung von S 1 beschrieben sowie eine Osteochondrose im Bereich L3/4 und BWK 11/12 (dort mit Schmorl‚schen Knötchen).
Neurologische Ausfälle oder Besonderheiten hinsichtlich der LWS wurden von den behandelnden Ärzte nicht festgestellt, insbesondere war der Lasègue negativ, die Reflexe waren seitengleich auslösbar und Motorik wie Trophik waren ungestört.
Nach Mitteilung der Krankenkasse des Klägers (AOK Bayern) war der Kläger wegen Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsunfähig vom 29.07. bis 15.08.2002 (wegen Kreuzschmerzen) und vom 28.08.2003 bis 20.12.2003 (wegen Radikulopathie und Bandscheibendegeneration).
Die Beklagte holte ferner Auskünfte zu den Wirbelsäulenbelastungen im Sinne der BK 2108 und 2110 bei U. und der Fa. E. ein.
Nach Einholung der gewerbeärztlichen Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. S. vom 15.05.2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2008 die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankhei...