Leitsatz (amtlich)

I. Feststellung des Grades der Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht (GdB) - Beweiswürdigung

II. Zur Bildung des Gesamt-GdB

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Berufung betrifft eine Angelegenheit aus dem Schwerbehindertenrecht. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin als Schwerbehinderte einzustufen ist.

Die aus Kasachstan stammende 53-jährige Klägerin lebt seit 1999 in Deutschland. Zunächst wohnte sie in Norddeutschland, seit April 2007 in A-Stadt. Die Klägerin leidet unter einem nicht allergischen Asthma bronchiale (Erstdiagnose 1990), das als Berufserkrankung anerkannt ist. Jedoch wird die berufsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit auf unter 20 v.H. geschätzt. Zudem ist ein chronischer Nierenparenchymschaden mit Zystenbildung rechts gesichert, wobei die Nierenfunktion normal ist.

Vom 06.10. bis 03.11.2004 durchlief die Klägerin ein Heilverfahren in der Fachklinik A./Schleswig-Holstein. Primär sollte damit die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit verbessert werden. Die Klinik berichtete von relativ unauffälligen kardiopulmonalen Befunden; leicht erhöhte Atemwegswiderstände waren durch die gesicherte bronchiale Hyperreagibilität bedingt. Eine somatoforme Störung, so die Klinik, sei nicht auszuschließen.

Mit Bescheid vom 01.04.2005 stellte die seinerzeit zuständige schleswig-holsteinische Behörde einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 fest. In der Folge kam es zu einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Kiel (S 12 SB 118/05). Im Zuge dessen plädierte der Sachverständige Dr. A. (Gutachten vom 14.11.2006) für einen Einzel-GdB von 30 für eine psychische Störung. Hinsichtlich des Stütz- und Bewegungsapparats, so der Sachverständige, lägen leichtgradige funktionelle Einschränkungen der Halswirbelsäule (HWS) und mittelgradige der Lendenwirbelsäule (LWS) vor. Das führe zu einem Einzel-GdB von 20. Eine Funktionsstörung im Knie sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Der Gesamt-GdB betrage 30. Das Gutachten führte letztlich zur Erledigung des Rechtsstreits, wobei die Umsetzung durch Bescheid vom 06.12.2007 erfolgte.

Am 18.09.2007 stellte die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag, wobei sie auch die Merkzeichen G und RF beantragte. Der Beklagte zog im Zuge dessen zahlreiche ärztliche Befunde bei. Unter anderem beschaffte er Unterlagen aus einem Rentenverfahren bei der LVA Schleswig-Holstein (einschl. Gerichtsverfahren S 1 R 272/05). Der Medizinische Dienst der LVA (Internistin Dr. B.) hatte ein auf den 22.04.2005 datiertes Gutachten erstellt. Diagnostiziert wurden eine Minderbelastbarkeit bei chronisch fortschreitender Nierenerkrankung (proliferative Glomerulonephritis im IgA-Typ) einhergehend mit einer Proteinurie und Erythrozyturie, ein leichtes, nicht allergisch bedingtes Asthma bronchiale sowie eine medikamentös behandelte Schilddrüsenunterfunktion. Die Gutachterin berichtete von einem unauffälligen Herz-/Lungenbefund. Im linken Kniegelenk sei schmerzfreie Beweglichkeit gegeben gewesen. Leichte bis mittelschwere Arbeiten könne die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Im sich anschließenden Gerichtsverfahren vor dem Sozialgericht Kiel (S 1 R 272/05) erstellte Dr. R. ein pneumologisch-allergologisches Gutachten (vom 18.09.2007). Am Untersuchungstag, so Dr. R., habe die Klägerin ein sehr heterogenes Beschwerdebild angegeben (Thoraxschmerz, Husten, Atemnotsempfinden, abdomineller Schmerz), jedoch hätten sich keine wesentlichen organpathologischen Befunde erheben lassen. Lungenfunktionsanalytisch habe eine bronchiale Überempfindlichkeit bestanden, jedoch keine Beeinträchtigung der Lungenfunktion sowie des Gasaustausches.

Der Beklagte lehnte die Feststellung eines höheren GdB sowie die beantragten Merkzeichen mit Bescheid vom 13.02.2008 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch (vom 22.02.2008) wies er mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2008 als unbegründet zurück.

Am 13.05.2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Würzburg Klage erhoben, wobei sie ausschließlich die Feststellung eines höheren GdB, nicht aber auch die Zuerkennung von Merkzeichen beantragt hat.

Vom 16.07. bis 13.08.2008 hat sich die Klägerin einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der F-Klinik Bad K. unterzogen (orthopädische Ausrichtung). Im Reha-Bericht vom 09.09.2008 sind an erster Stelle Diagnosen zur HWS genannt. In der Klinik hat die Klägerin mitgeteilt, sie leide seit August 2008 an linksseitiger Zervikobrachialgie und Schulterbeschwerden, an belastungsabhängigem Kreuzschmerz ohne Schmerzausstrahlungen in die unteren Extremitäten sowie ab und zu an belastungsabhängigen Fuß-, Knie- und Sprunggelenksbeschwerden beidseits. Die Lungenfunktionsprüfung, so der Bericht, sei unauffällig ausgefallen. Bezüglich der Nieren seien die Befunde abgesehen von der Zyste rechts ebenfalls unauffällig gewesen.

Am 21...

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