Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht: Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt bei einer isolierten Anfechtung eines Herabsetzungsbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Höhe des GdB und den gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichen G

2. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der isolierten Anfechtung von Herabsetzungsbescheiden ausschließlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

In der schwerbehindertenrechtlichen Angelegenheit ist streitig, ob der Klägerin ein höherer Grad der Behinderung (GdB) als 40 sowie das Merkzeichen G zustehen.

Die 1958 geborene Klägerin stellte erstmals am 26.08.2003 Antrag auf Feststellung einer Behinderung und des GdB. Mit Bescheid vom 30.01.2004 stellte der Beklagte einen GdB von 30 hinsichtlich von Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, der Schultern, der Hüftgelenke und wegen Asthma bronchiale fest.

Auf den Neufeststellungsantrag vom 30.05.2004 wertete der Beklagte Entlassungsberichte des Krankenhauses M. und der S.Klinik Bad E. aus. In dem ersten Bericht wurde geschildert, dass die Klägerin in der Nacht vom 20. auf 21.05.2004 notfallmäßig eingeliefert worden sei, nachdem sie nach einem Biergartenbesuch auf dem Fahrrad eine Kopfwendung gemacht und plötzlich eine akute Querschnittsymptomatik mit Hemiplegie rechts und Hemihypästhesie rechts erlitten habe. Im genannten Krankenhaus wurden die Diagnosen Spondylose cervikal mit Myelopathie, Hemiplegie spinal, Spinalstenose cervikal und Bandscheibenprotrusion cervikal gestellt. Der Entlassungsbericht der S.Klinik stellt u.a. fest, dass der objektive (u.a. neurologische) Befund nicht mit den geschilderten Beschwerden übereinstimme; von einer Operation sei abzuraten. Die Klägerin benötige dringend eine psychotherapeutische Behandlung.

Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.03.2005, in der der Facharzt für Chirurgie Dr. K. davon ausging, dass die Lähmungserscheinungen der rechten Körperhälfte der Klägerin und auch die Koordinationsstörungen des rechten Beins unter weiterer konservativer Therapie bereits rückläufig seien, setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 16.03.2005 gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den GdB auf 50 fest. Zudem wurde das Merkzeichen G zuerkannt. Bei der Klägerin würden die folgenden Gesundheitsstörungen bestehen:

1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Spinalkanalstenose, cervikale Myelopathie mit Teillähmung und Koordinationsstörungen der rechten Körperhälfte, Wirbelsäulenverformung, Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom beidseits

Einzel-GdB 50;

2. Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke bei Hüftdysplasie (operiert)

Einzel-GdB 10;

3. Asthma bronchiale

Einzel-GdB 10.

Im Rahmen einer von Amts wegen erfolgten Nachprüfung erstellte Dr. K. am 12.06.2007 ein Gutachten, in dem er zu dem Ergebnis kam, dass sich aufgrund der versorgungsärztlich-chirurgischen Untersuchung bezogen auf das festgestellte Wirbelsäulenleiden eine wesentliche Besserung der Verhältnisse ergeben habe. Lähmungen von Armen oder Beinen seien wirbelsäulenbezogen nicht festzustellen, der Reflexstatus an den Armen und Beinen sei regelrecht. Die vor zwei Jahren durch Befundbericht nachgewiesenen Lähmungserscheinungen hätten sich vollständig zurückgebildet. Eine wesentliche neurologisch definierte Gangstörung bestehe nicht. In der Gesamtsicht sei unter dem Nachweis einer erheblichen Besserung nur mehr ein GdB von 30 zu begründen. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen G würden nicht (mehr) vorliegen. Durch die klinische Befunderhebung sei der Besserungsnachweis erbracht. Eine somatoforme Schmerzstörung bei seelischer Störung sei neu festzustellen.

Mit Schreiben vom 11.07.2007 gab der Beklagte der Klägerin gemäß § 24 Abs. 1 SGB X zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB und zur Entziehung des Merkzeichens Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin äußerte sich nicht.

Daraufhin setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 30.10.2007 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X den GdB auf 30 fest. Ab Bekanntgabe des Änderungsbescheides bestehe auch kein Anspruch auf das Merkzeichen G mehr. Die Gesundheitsstörungen Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Spinalkanalstenose, cervikale Myelopathie mit Teillähmung und Koordinationsstörungen der rechten Körperhälfte etc. hätten sich wesentlich gebessert. Die Ermittlung des Gesamt-GdB sei auf folgender Grundlage erfolgt:

1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen aller Wirbelsäulenabschnitte, muskuläre Verspannungen, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen, Wirbelsäulenverformung

   Einzel-GdB 30;

2. Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke bei Hüftdysplasie (operiert)

 Einzel-GdB 10;

3. Asthma bronchiale

 Einzel-GdB 10;

4. Funktionsbehinderung beider Schultergelenke bei S...

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